Die spektakuläre Neuigkeit ihres Trainers Luis Enrique hat Superstar Lionel Messi und Co. in der Kabine überrascht. Er werde nächste Saison nach drei Jahren nicht mehr Trainer des FC Barcelona sein, sagte der 46-Jährige am Mittwoch nach dem 6:1 über Sporting Gijon im Estadio Camp Nou. "Wir standen plötzlich alle mit offenem Mund da", verriet Mittelfeldspieler Ivan Rakitic der Zeitung "Sport".

Die Gründe für seine sowohl in der Form als auch vom Zeitpunkt her unerwartete Ankündigung gab Luis Enrique nicht in der Kabine, sondern wenig später am Ende der Pressekonferenz bekannt. "Ich brauche eine Auszeit, ich muss mich ausruhen." Er sei ein Trainer, der ständig auf der Suche nach Lösungen für das Team sei. "So lebe ich meinen Beruf. Das heißt, ich kann nicht abschalten", räumte der Hobby-Triathlet, der deutlich mehr graue Haare als bei seinem Amtsantritt im Sommer 2014 aufweist, ein.

An der Spitze

Dass die Katalanen dank des Kantersiegs in der 25. Runde den Erzrivalen Real Madrid endlich von der Tabellenspitze der spanischen Primera Division verdrängten, geriet plötzlich zur Nebensache. Die "Königlichen" retteten mit einem späten Cristiano-Ronaldo-Doppelpack daheim noch ein 3:3 gegen Las Palmas, Meister Barcelona liegt aber nun bei einem Spiel mehr einen Punkt vor Real.

Für die katalanischen Sportblätter stand jedoch der nahende Abschied im Mittelpunkt. "Adios", titelten am Donnerstag in großen Buchstaben sowohl "Sport" als auch das Konkurrenzblatt "Mundo Deportivo". Trotz der vielen Patzer von Messi und Co. in der Liga und der jüngsten 0:4-Blamage bei Paris St. Germain im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League sagte der frühere Barca-und Bayern-Coach und heutige Trainer von Manchester City, Josep Guardiola, das, was viele Fans denken: "Für einen Cule (Anm.: Barcelona-Anhänger) ist es ein trauriger Tag. Wir verlieren den perfekten Trainer."

Acht von zehn möglichen Titeln

Obwohl, oder gerade weil er ein Hitzkopf mit vielen Ecken und Kanten ist, ist Luis Enrique in Barcelona sehr beliebt. Man vergisst nicht, dass er als Spieler Real verließ, um bei Barca anzuheuern und dass er im Trikot der "Blaugrana" zweimal die Liga und auch den Europapokal der Pokalsieger gewann. Als Trainer holte er mit Barcelona bisher immerhin acht von zehn möglichen Titeln, darunter 2015 die Königsklasse und auch je zwei Mal Liga und Cup.

Laut "Mundo Deportivo", fast ein Hausblatt des katalanischen Vereins, gibt es drei klare Favoriten für die Nachfolge. Ganz oben FC-Sevilla-Coach Jorge Sampaoli. Der 56-jährige Argentinier lehnte jüngst ein Angebot einer Vertragsverlängerung vorerst ab. Neben Sampaoli können sich demnach auch Athletic-Bilbao-Trainer Ernesto Valverde und der Niederländer Ronald Koeman von Everton große Hoffnungen auf einen Anruf aus Barcelona machen. Unter den Kandidaten tauchen auch Massimiliano Allegri von Juventus Turin und der frühere französische Nationalcoach Laurent Blanc auf. Clubboss Josep Bartomeu sagte nur: "Der neue Trainer wird am 1. Juli bekannt."

Es gibt aber nicht nur Spekulationen um die Trainer-Nachfolge. Medien schreiben, mit seiner frühen Ankündigung wolle Luis Enrique seine Schützlinge für den Saisonendspurt motivieren. Er hoffe auch auf eine sensationelle Wende am Mittwoch gegen Paris. Gegen Gijon präsentierte sich seine Mannschaft mit Treffern von Messi (9.), Juan Rodriguez (Eigentor/11.), Luis Suarez (27.), Paco Alcacer (49.), Neymar (65.) und Rakitic (88.) bereits in Torlaune. Dass Real schwächelt, wird für zusätzliche Motivation sorgen.