Herr Stessl, Sie haben Anfang der 1980er zwei Saisonen den FC Porto trainiert, davor und danach waren Sie insgesamt drei Mal bei der Austria tätig. Wen, wenn nicht Sie, sollte man fragen, wie Austrias Chancen am Mittwoch in der Champions League stehen.

Hermann Stessl: Ich verfolge den portugiesischen Fußball tatsächlich auch heute noch sehr genau, und uns allen muss klar sein, dass die Austria Außenseiter ist. Aber ein Außenseiter mit Chancen. Dann nämlich, wenn sie endlich die Chancen verwertet, die sie sich erspielt. Philipp Hosiner ist aber leider weit entfernt von der Form der Vorsaison. Und die zweite Halbzeit beim 2:3 gegen Grödig war generell grauenhaft.

Wie gefällt Ihnen die violette Entwicklung allgemein?

Stessl: Ziemlich gut. Dass nach der Ära Stronach kein Einbruch, weder sportlich noch finanziell, passiert ist, hat der Verein zwei Leuten zu verdanken: Thomas Parits als Sportchef und Markus Kraetschmer als Wirtschaftsboss. Sie machen das toll. Parits hat hervorragend eingekauft in den vergangenen Jahren. Und sehr gut verkauft. Und wenn man sich künftig nicht ganz blöd anstellt, was sicherlich nicht der Fall sein wird, dann wird die Teilnahme an der Champions League den Verein auf ziemlich lange Sicht auf eine noch bessere wirtschaftliche Basis stellen, als es ohnehin schon der Fall ist.

Gefällt Ihnen irgendetwas nicht so gut an den Veilchen?

Stessl: Ja, die Herrschaften in der Abwehr. Sie sind athletisch alle sehr gut, spielerisch aber leider limitiert. Da wird der Ball meist hin und her geschoben und die zündenden Ideen im Spiel von hinten heraus fehlen im Moment nahezu völlig. Und so talentiert Tormann Heinz Lindner auch ist, er ist, wohl wegen seiner jungen Jahre, noch zu fehleranfällig.

Sie sprachen vorhin davon, dass die Austria sehr gut ein- und sehr gut verkauft. Das gilt doch auch für den FC Porto.

Stessl: Allerdings. Für Porto gilt das sogar wie für nur ganz wenige andere Klubs in Europa. Und das hat man quasi einzig und allein dem Präsidenten zu verdanken, der sein Amt zu Beginn der 1980er antrat und als eine seiner ersten Amtshandlungen mich als Coach holte. Nach mir engagierte Jorge Nuno Pinto da Costa dann so klingende Namen wie Bobby Robson, Jose Mourinho, den Ex-Salzburg-Trainer Co Adriaanse oder Andre Villas-Boas. Und was die Spieler betrifft, so geht man in Porto einen ganz anderen Weg.

Und zwar welchen?

Stessl: Man setzt nicht auf den Nachwuchs, man kauft ausschließlich fertige, außergewöhnlich gute, von den Namen her aber wenig bekannte Spieler ein. Die meisten aus dem südamerikanischen Raum, wo das Scouting-System ganz perfekt funktioniert. Und dann verkauft man viele dieser Spieler nach ein paar Jahren um sehr, sehr viel Geld. Ein Beispiel: Mittelfeldspieler James Rodriguez, ein Ausnahmekönner aus Kolumbien, der 2010 um 7,35 Millionen Euro aus Argentinien geholt wurde, wurde in diesem Sommer um 45 Millionen an den AS Monaco weiterverkauft. So hat der Klub in den vergangenen zehn Jahren ein Plus von über 500 Millionen erwirtschaftet. Man macht also mit Klasse Kasse. Im derzeitigen 28-Mann-Kader von Porto stehen übrigens nur vier Portugiesen.

Noch einmal zur Austria: Was sagen Sie zu Coach Nenad Bjelica?

Stessl: Sicherlich ein guter Nachfolger für Peter Stöger, auch wenn er für meinen Geschmack am Anfang seiner Arbeit zu viel Ankündigungspolitik betrieben hat. Aber es sieht so aus, als hätte man ihn seitens des Vereins rechtzeitig eingebremst. Aber er ist sicherlich ein Mann vom Fach und ein sympathischer Typ.

Trauen Sie sich einen Tipp für das Spiel abzugeben?

Stessl: Tipp nicht, aber ich nenne mein Wunschresultat - 3:3.