Dabei geht es um Bestechung von insgesamt vier Ex-Funktionären, verschwörerische Mails, Zahlungen über Strohfirmen in der Karibik. So deutlich wie nie zuvor skizziert die Staatsanwaltschaft auf 70 Seiten in einer offiziellen Anklageschrift den angeblichen Betrug bei den WM-Vergaben an Russland 2018 und Katar 2022. Nach jahrelangen Ermittlungen und mehr als 40 Anklagen im FIFA-Korruptionsskandal setzen die Anschuldigungen der amerikanischen Strafverfolgungsbehörden die katarischen WM-Ausrichter unter Druck - und könnten Rufe nach Konsequenzen wieder aufleben lassen.

Eine Neuvergabe ist aus Expertensicht aber unrealistisch. Bis Dienstagmittag (europäische Zeit) äußerten sich weder die FIFA noch die Organisatoren im Wüstenstaat. In der Vergangenheit hatten Katar und Russland derartige Vorwürfe stets zurückgewiesen.

In der Anklage vor einem Bundesgericht in Brooklyn, die am Montag veröffentlicht wurde, wird drei Medienrechtehändlern und einem Unternehmen aus Uruguay Überweisungsbetrug und Geldwäsche vorgeworfen. Zündstoff findet sich aber auch in den weiteren Unterpunkten zu den Ermittlungen.

Demnach sollen drei südamerikanische Funktionäre Gelder für ihre Stimme an Katar erhalten haben: Der inzwischen verstorbene Nicolas Leoz, damaliger Chef des südamerikanischen Kontinentalverbands; Ricardo Teixeira, Ex-Fußballchef Brasiliens, der wegen anderer Delikte lebenslang von der FIFA gesperrt wurde; und ein namentlich nicht genannter Mitverschwörer, der hohe Positionen in der FIFA und dem argentinischen Fußball innehatte. Bereits vor knapp zweieinhalb Jahren hatte Kronzeuge Alejandro Burzaco, Ex-Chef einer argentinischen Sportmarketingfirma, ausgesagt, dass der frühere FIFA-Vize Julio Grondona bei der WM-Vergabe an Katar mehr als 800.000 Euro erhalten haben soll.

Gianni Infantino sah keinen Anlass

Schon darin hatte Gianni Infantino keinen Anlass für neue Schritte gegen Katar gesehen: "Unglücklicherweise gibt es eine schlechte Vergangenheit. Wir müssen lernen und nach vorne schauen", sagte der Weltverbandschef im Dezember 2017.

Auch rund um die Vergabe der WM 2018 an Russland gibt es erneut schwere Vorwürfe. Laut Anklage soll der mittlerweile lebenslang gesperrte Jack Warner für seine Stimme fünf Millionen Dollar an Schmiergeld erhalten haben - gezahlt über zehn Offshore-Strohfirmen in mehr als zwei Dutzend Überweisungen. Der Name des nachweislich korrupten Ex-FIFA-Vizes aus Trinidad & Tobago tauchte auch im Skandal um die WM 2006 in Zusammenhang mit einem Vertragsentwurf auf.

Belastende Mails

Die Anklage zitiert aus E-Mails, die der Partner eines Beraters des Ex-FIFA-Präsidenten Joseph Blatter an Warners Assistenten geschrieben haben soll: 'Weise ihn freundlich darauf hin, dass, "was vereinbart wurde, diese Woche getan wird'". Sollte sich der "liebe Freund" nicht an "Versprechen" halten, würde das dem Schreibenden "persönlich extreme Schwierigkeiten" verursachen. Ex-Funktionär Rafael Salguero aus Guatemala soll laut Anklage zumindest auch eine Million Dollar für seine Stimme an Russland geboten worden sein.

Eine Untersuchung unter der Leitung des früheren Chefs der FIFA-Ethikkommission, Michael Garcia, hatte viele verdächtige Details im Zuge der Vergabe an Russland und Katar hervorgebracht, Bestechung der Wahlmänner aber nicht belegen können. Zwei Millionen Dollar seien beispielsweise auf dem Konto einer zehnjährigen Tochter eines Mitglieds der FIFA-Exekutive gelandet, hieß es bei der Veröffentlichung des Reports 2017. Der Bericht stellte aber auch fest, dass es "keinen Beweis in den Protokollen" für eine Verbindung der Zahlung zur Katar-Bewerbung gebe.

Zahlreiche Urteile stehen noch aus

Nach den ersten Festnahmen von FIFA-Funktionären kurz vor der Wiederwahl des damaligen Weltverbandschefs Blatter im Mai 2015 gab es Anklagen gegen 42 Personen, 26 wurden öffentlich bekannt. Der frühere Kontinentalpräsident Juan Angel Napout sitzt in Florida im Gefängnis. Der ehemalige Chef des brasilianischen Fußballs, Jose Maria Marin, wurde zuletzt wegen der Coronavirus-Pandemie aus der Haft entlassen. Zahlreiche Angeklagte warten noch auf ihr Urteil.