Die FIFA hat in der Dauerdebatte um die umstrittenen WM-Vergaben an Russland und Katar den lange unter Verschluss gehaltenen Garcia-Bericht veröffentlicht. In dem 430-Seiten-Dokument des US-Juristen Michael Garcia aus dem Jahr 2014 werden mehr oder weniger gravierende Verstöße praktisch aller damaligen WM-Bewerber gegen die Ethikregeln des Fußball-Weltverbandes beschrieben.
Den klaren Beweis für eine gezielte Einflussnahme auf die Doppelvergabe der Turniere 2018 und 2022 am 2. Dezember 2010 konnte Garcia aber offenbar in seinen rund zwei Jahre währenden Untersuchungen nicht feststellen. Deutlich wird aber, dass deutlich mehr anrüchiges Material gegen Katar als gegen Russland zusammengetragen wurde.
In seiner Zusammenfassung kommt Garcia zum Schluss, dass sich vor allem FIFA-Wahlmänner nicht an die Regeln hielten. "Darüber hinaus operierten die Bewerber in einem Umfeld, in dem mehrere Exekutivmitglieder nicht zögerten, ein System zu nutzen, das sie in bestimmten Bereichen nicht an die gleichen Regeln band wie die Bewerber", heißt es in dem Report.
Status in den Heimatländern verbessern
Einige Exekutivmitglieder hätten "persönlichen Nutzen" gesucht, um ihren Status in den Heimatländern zu verbessern. Keine gravierenden Vorhaltungen werden dem früheren FIFA-Chef Joseph Blatter gemacht. Allerdings wird notiert, dass er kurz vor der Stimmabgabe einem Bonus von 200.000 Dollar für alle - auch für zwei gesperrte Exekutiv-Mitglieder - zustimmte.
Russland konnten kaum gravierende Verstöße nachgewiesen werden. So werden zwar beispielsweise Geschenke und Annehmlichkeiten wie Kreml- und Ballettbesuche aufgeführt, der Bericht stellt aber fest: "Auch wenn die kompletten Kosten für Reisen und Unterbringungen für Exko-Mitglieder und ihre Familien das übersteigt, was man gewöhnlich als nebensächliche Kosten ansehen würde, war die Übernahme der Kosten nicht per se durch die damaligen FIFA-Verhaltenskosten verboten." Allerdings: Die Computer des russischen Bewerbungskomitees waren zum Zeitpunkt der Untersuchung schon zerstört.
Deutlicheres Bild um die Bewerbung von Katar
Ein etwas deutlicheres Bild zeichnet sich rund um die Bewerbung Katars. So sollen südamerikanische Vertreter die Reise per Privat- oder Regierungsflugzeug aus und nach Rio de Janeiro verlangt haben. Auch landeten zwei Millionen US-Dollar auf dem Konto einer zehn Jahre alten Tochter eines Exko-Mitglieds. Der Bericht stellt aber auch fest, dass es "keinen Beweis in den Protokollen" für eine Verbindung der Zahlung zur Katar-Bewerbung gebe.
Die Entscheidung zur unerwarteten Veröffentlichung habe die neue Spitze der FIFA-Ehtikkommission getroffen - offenbar als Reaktion auf ein Datenleck. Am Montagabend hatte die deutsche Boulevard-Zeitung "Bild" Details aus dem Garcia-Bericht veröffentlicht. Dieser war bisher wegen rechtlicher Bedenken der Ethikhüter des Fußball-Weltverbandes nicht veröffentlicht worden.
"Im Sinne der Transparenz begrüßt die FIFA die Neuigkeit, dass dieser Bericht nun endlich veröffentlicht wurde", schrieb der Weltverband am Dienstag auf seiner Website. Präsident Gianni Infantino habe eine Veröffentlichung schon lange befürwortet.
Garcia war 2014 nach der Entscheidung zur Nicht-Veröffentlichung von seinem Posten als Chefermittler zurückgetreten. Trotz der belastenden Indizien zu möglicher Einflussnahme der Kandidaten auf die Wahlmänner hat die FIFA die WM-Gastgeber Russland und Katar nicht sanktioniert.