Früher war der Stefanitag für Michael Madl immer ein Familientag. "Ganz klassisch", sagt er. Heuer spielt er am 26. Dezember mit Fulham bei Ipswich. "Training am 24., Abreise nach Ipswich am 25. Weihnachtsstimmung ist bei mir noch keine aufgekommen." Seine Familie wollte die Feiertage mit ihm in London verbringen. "Ich habe ihnen leider sagen müssen, dass das nichts bringt."
Während die meisten europäischen Fußballer ihren Winterurlaub genießen, kommt die Liga in England erst so richtig in die Gänge. Acht Spiele bestreitet Madl mit Fulham, bevor seine ehemaligen Kollegen von Sturm Graz erstmals wieder in einem Pflichtspiel den Ball jagen. "Eine Pause wäre nicht schlecht. Vor allem, weil ich jede Menge Urlaubsfotos geschickt bekomme. Das ist gerade ziemlich schiach."
Klingt da Wehmut mit? Reue, den Transfer nach England gewagt zu haben? "Überhaupt nicht." Madl kann unter das Jahr 2016 zufrieden ein Hakerl setzen. "Ich konnte den Traum vom Transfer nach England realisieren, habe im Nationalteam debütiert." Da spielt es gar keine Rolle, dass es für den Innenverteidiger zuletzt sportlich nicht nach Wunsch gelaufen ist.
Ampelkarte, schwache Leistung
Nach einem guten ersten halben Jahr schien der 28-Jährige auch in der neuen Saison gesetzt zu sein in der Innenverteidigung. Eine blöde Gelb-Rote Karte am sechsten Spieltag, eine schwache Leistung, nachdem die Sperre abgelaufen war, und plötzlich fand sich Madl auf der Ersatzbank oder Tribüne wieder. "Du kannst eh nur weiterarbeiten und hoffen, dass du wieder reinkommst", sagt er. "Unser Trainer wechselt viel. Du weißt, dass die Chance wieder kommt." Dass es in seinem Fall aber fast drei Monate gedauert hat, war schon "zach". Dass in Englands Zweiter Liga 46 Runden gespielt werden – ohne Play-off und ohne Cup – hat ihm in dieser Phase auch Kraft gegeben. "Außer dem Tormann schafft das niemand."
In den letzten beiden Partien kam Madl wieder in der Innenverteidigung zum Einsatz und kann aktiv mithelfen, "dass es mit dem Aufstieg klappt". Auch, damit niemand mehr den vierten Platz bei der U20-Weltmeisterschaft 2007 in Kanada als seinen größten Erfolg nennen muss. "Das ist bald zehn Jahre her. Es kotzt mich an, dass ich seither nichts gewonnen habe", sagt er. Und erinnert sich an Sturms Ausscheiden im Cup-Halbfinale in St. Pölten vor zweieinhalb Jahren. "Das sind Momente, in denen du denkst: Irgendeinen Titel willst du schon in deinem Lebenslauf stehen haben."
"Titel für Sturm möglich"
Den Titel traut er Sturm Graz jedenfalls zu. "Mich freut wahnsinnig, was in Graz passiert", sagt Madl. "Auch wenn der Abgang von Matic wehtut: Der Meistertitel ist nach der fantastischen Hinrunde möglich." Kontakt mit Sturm-Spielern hat er. "Roman Kienast war gerade auf Besuch. Andere kommen noch." Und wenn er in London etwas unternimmt, sind Konstantin Kerschbaumer (Brentford) und Sebastian Prödl (Watford) oft dabei.
Ob er sich denn vorstellen könnte, in drei, vier Jahren gemeinsam mit Prödl das Innenverteidiger-Duo bei Sturm Graz zu bilden? "Ich weiß nicht, wie Sturm darüber denkt, ich weiß nicht, was Basti sagt, aber ich würde das in dieser Sekunde unterschreiben." Dann würde er wieder mit dem Kollegen in der Innenverteidigung spielen, mit dem er auch bei seinem größten Erfolg, 2007, das Innenverteidiger-Duo gebildet hat. Und so sehr er das Leben in London genießt – Lebensmittelpunkt soll irgendwann wieder die Steiermark sein. "Das ist meine Heimat."
Von Clemens Ticar