Der scheidende FIFA-Präsident Joseph Blatter bekommt Rückendeckung von einem ehemaligen einflussreichen Berater und Gegenkandidaten. "Ich bin nicht da, um Blatter oder sonst jemanden zu verteidigen", sagte Jerome Champagne, von 1999 bis 2010 stellvertretender FIFA-Generalsekretär, der "Neuen Züricher Zeitung" (Freitagausgabe). "Aber die Geschichte wird Blatter Gerechtigkeit widerfahren lassen."

Systemisches Problem

Denn Blatter habe für den Fußball doch einiges geleistet. In der Zeit vor Blatter habe es im Fußball-Weltverband keine Entwicklungsprogramme gegeben, sagte Champagne, ein französischer Berufsdiplomat, und ging hart mit europäischen Fußballfunktionären ins Gericht. "Als er (Blatter) 1975 anfing, war die FIFA eine kleine, eurozentristische Organisation, dominiert von weißen Europäern." Im Rest der Fußballwelt "gibt es einen Groll gegen das arrogante angelsächsisch-skandinavische Europa".

Der jüngste Korruptionsskandal habe gezeigt, dass es nicht nur um die Figur Blatter gehe. "Seit einer Woche sehen wir, dass es in der FIFA ein systemisches Problem gibt", so der 66-jährige Champagne. Ein Grundproblem sei, dass die Mitglieder des Exekutivkomitees eben nicht vom FIFA-Kongress, sondern von den Kontinentalverbänden, den Konföderationen, bestimmt würden.

Zu sehr personalisiert

Das Exekutivkomitee ist eine Art FIFA-Regierung. "Dort sitzen 25 Mitglieder, nur zwei sind wirklich von der FIFA und vom Kongress gewählt: der Präsident Blatter und Frau Lydia Nsekera aus Burundi", sagte Champagne. "Die anderen sind ihren Konföderationen gegenüber verantwortlich. Über sie hat die FIFA keine Autorität."

Dass Blatter so sehr in der Schusslinie steht, erklärt Champagne mit dessen Amtsverständnis. "Einer der Fehler Blatters war es, die FIFA zu sehr zu personalisieren. Er ist mit ihr verheiratet", so der Franzose, der erwägt, gegebenenfalls für die Nachfolge Blatters zu kandidieren. "Ich habe mich noch nicht entschieden, aber ich schließe nichts aus." Im vergangenen Präsidentschafts-Wahlkampf hatte Champagne seine Bewerbung frühzeitig zurückgezogen.

Spannung in Berlin

Inzwischen wurde bekannt, dass Blatter als stimmberechtigtes IOC-Mitglied an einem für Dienstag in Lausanne angesetzten IOC-Versammlung nicht teilnehmen wird. Allerdings habe Blatter dies schon im April angekündigt.

Das Champions-League-Finale am Samstag in Berlin wird auch hinter den Kulissen für spannende Begegnungen sorgen: So reist Chung Mong-joon, ein südkoreanischer Industriellensohn und früherer Vizepräsident des Fußball-Weltverbandes, an, um sich mit Fußball-Funktionären über die Zukunft der FIFA zu unterhalten. Der Sohn des Gründers des Konzerns Hyundai erwägt eine Kandidatur als Nachfolger Blatters und möchte sich u.a. auch mit UEFA-Präsident Michel Platini zusammensetzen.