Sie wird sich nicht auswirken, die historische Belastung, aber es sei daran erinnert. Es begab sich 1954, da stand die Schweiz zum bisher letzten Mal im Viertelfinale eines großen Turniers. Damals waren die Gastgeber der Weltmeisterschaft im nach wie vor torreichsten Spiel der WM-Geschichte Österreich mit 5:7 unterlegen. 67 Jahre später stehen sie wieder dort, die Eidgenossen, die von sich sagen, inmitten der Vielfalt eine verschworene Gemeinschaft zu sein.

Nach der Sensation gegen Frankreich wartet nun mit Spanien eine wahre Armada, die in den letzten beiden Partien so richtig Fahrt aufgenommen hat. Zehn Tore erzielten die Iberer in den Partien gegen die Slowakei und Kroatien, da müsste den Schweizern angst und bange werden, noch dazu, da ihr eigentlich großartiger Torhüter und Elfmeterheld Yann Sommer bei dieser Euro schon acht Mal hinter sich greifen musste.

Doch Vladimir Petkovic, immerhin schon seit 2014 Trainer der „Nati“, blickt nach vorne. Die Schweiz könnte sich ja nach dem unerwarteten Erfolg über den Weltmeister zurücklehnen. „Aber wir werden wieder hungrig sein, wir können uns nicht hinstellen und sagen, wir sind zufrieden, wir gehen in dieses Spiel, um weiterzukommen.“

Es fehlt der Schlüsselspieler

Allerdings müssen die Schweizer jenen Mann vorgeben, der seit Jahren vorangeht. Granit Xhaka fehlt wegen einer Gelb-Sperre. Der Kapitän hat seit fünf Jahren kein Pflichtspiel verpasst, in seine Rolle schlüpft Xherdan Shaqiri. Der Ex-Bayern-Spieler, der beim FC Liverpool nur selten zum Zug kommt, beantwortet die Frage, ob sich die Schweiz auch so verbarrikadieren werde wie die mit der Mauertaktik erfolgreichen Schweden, fast trotzig beantwortete.

„Ich glaube, wir haben schon oft bewiesen, dass wir uns wir uns nicht einfach hinten reinstellen. Wir haben gegen Frankreich bewiesen, dass wir auch Tore schießen können“, erklärte Shaqiri. Petkovic wiederum meinte, auf das Fehlen der Führungsfigur Xhaka angesprochen. „Jeder wird zehn Prozent mehr geben.“ Die Aussage nach diesem großartigen Spiel gegen Frankreich ist aber wohl in die Rubrik Zweckoptimismus einzuordnen.

Es gibt auch realistischere Anhaltspunkte, zum Beispiel die Auftritte in den direkten Begegnungen im vergangenen Herbst in der Nations League, da gab es ein 1:1, als den Spaniern erst in der 89. Minute der Ausgleich gelang. Die Auswärtspartie ging 0:1 verloren. Gewonnen haben die Schweizer freilich nur einmal, dies passierte in der Gruppenphase der WM 2010 in Südafrika. Damals kam trotzdem nach der Vorrunde das Aus, Spanien wurde Weltmeister.

Der Favorit zeigt sich gelassen. „Es wird ein kompliziertes Spiel“, ist Luis Enrique auf alles gefasst. Es dürfte sich allerdings um eine Höflichkeitsfloskel gehandelt haben.