Dass Jude Bellingham bei Birmingham und Borussia Dortmund mit der Rückennummer 22 aufgelaufen ist, ist kein Zufall und Mike Dodds, ehemaliger Leiter der Nachwuchsabteilung bei Birmingham, gab den Ausschlag. „Er hat gesagt, er möchte ein Zehner sein“, erzählte Dodds „The Athletic“. Seine Antwort: „Ich glaube, du kannst der 22er sein.“ Bellingham war verwirrt – und Dodds erklärte. 22 – zusammengezählt 4, 8 und 10. Rückennummer 4 ist im Englischen der „Holding midfielder“, das, was im deutschsprachigen Raum üblicherweise als „Sechser“ bezeichnet wird. Nummer 8 und Nummer 10 sind selbsterklärend. Bei Birmingham wird die Rückennummer 22 nicht mehr vergeben – und das, obwohl er den Verein bereits als 17-Jähriger verlassen hat. Mit „Talent, Einsatz und Hingabe“ habe Bellingham es in kurzer Zeit geschafft, eine Ikone des Vereins zu werden – begründete Birmingham.

Über Dortmund – Bellingham führte die Borussia beinahe zum ersten Meistertitel nach elf Jahren, der BVB scheiterte erst am letzten Spieltag in Mainz – ging es für Bellingham nach Madrid. Und da ist er, wie jetzt auch im englischen Nationalteam, der klare Zehner. Bei Real mit der Nummer 5 am Rücken, bei den Three Lions tatsächlich mit dem „Zehner“. Die Überlegung von Real-Trainer Carlo Ancelotti war einfach: Mit Karim Benzema und Marco Asensio hatte er 43 Tore zu ersetzen. Bellingham musste also offensiver spielen, um dem Tor näher zu sein. Das ging so weit, dass Ancelotti die übliche Grundordnung bei Real – 4-3-3 – verwarf und auf ein 4-4-2 setzt, mit Bellingham an der Spitze der Raute im Mittelfeld. Als Zehner hinter den beiden Spitzen. Und Ancelotti sollte mit seiner Entscheidung Recht behalten.

20 Tore erzielte Bellingham in seiner Debütsaison bei Real Madrid. Er gewann die spanische Meisterschaft, gewann die Champions League. Weder Ancelotti noch Bellingham glaubten an einen dermaßen guten Start. Und Bellingham überzeugt nicht nur mit Toren. Seine Läufe, die Dribblings, seine Passqualität, seine Ballgewinne, seine Übersicht. Bellinghams Vielseitigkeit beeindruckt. Der Lohn, neben den beiden Mannschaftstiteln, war die „Ballon d‘Or Kopa Trophy“ für den besten jungen Spieler und der „Golden Boy Award“ für den besten jungen europäischen Spieler. „Ich denke, das passiert, wenn man mit großartigen Spielern zusammenspielt“, sagt Bellingham bei seiner Dankesrede. Davon, einer der besten Spieler der Welt zu sein, will der 21-Jährige noch nichts wissen. „Schön zu hören, aber ich widerspreche.“ Sein Zugang ist klar: „Es geht darum, zu versuchen, meine Mannschaft und mein Nationalteam zum Besten der Welt zu machen.“

Die Vorbilder Bellinghams spiegeln seine Vielseitigkeit wider. Wayne Rooney einerseits, Steven Gerrard andererseits. Rooney ergatterte einst selbst den „Golden Boy Award“. „Alle sind Topspieler, die unglaubliche Karrieren hatten“, sagt Bellingham. „Auf dieser Liste zu stehen, ist eine große Ehre. Rooney hatte auf mich den größten Einfluss. In England aufzuwachsen und die Art, wie er gespielt hat.“

Jude Bellingham traf auch bei der EM
Jude Bellingham traf auch bei der EM © AFP / Adrian Dennis

Rooney und Bellingham haben etwas gemeinsam, sie visualisieren die Spiele, bevor sie stattfinden. „Ich sehe das Spielfeld, das Gras, meine Positionierung“, erzählte Bellingham „Real Madrid TV“. So fühle er sich ruhiger, weniger nervös. „Das betreibe ich meine ganze Karriere so. So bin ich im Match auf alle Situationen vorbereitet. Das wurde mir in einem sehr jungen Alter beigebracht, das mache ich noch heute.“ Ähnlich Rooney: Der erkundigte sich früher beim Dressenverantwortlichen nach der entsprechenden Ausstattung am nächsten Tag. „Dann liege ich im Bett und stelle mir vor, wie ich Tore schieße oder gut spiele“, sagt der 38-jährige Trainer von Plymouth Argyle im Jahr 2012 zu ESPN.

Rooney und Gerrard sind Bellinghams „zwei größte Fußballhelden“, sagt der 21-Jährige. Und im Grunde vereint Bellingham die Qualitäten der beiden englischen Fußballgrößen. Gerrards Qualität als defensiver Mittelfeldspieler und Abschlussstärke und Raumgefühl von Rooney. Dazu die soziale Intelligenz, die ihn viel älter wirken lässt, als er ist: Bei der WM 2022 – als 19-Jähriger – war er der Erste, der Kapitän Harry Kane tröstete, nach dessen verschossenen Elfmeter im Achtelfinale gegen Frankreich.

Vorbild für Kinder

Bellingham ist aber längst nicht nur auf dem Spielfeld außergewöhnlich. Als beim „Golden Boy Award“ im Hintergrund junge Kinder jubelten, freute sich der Engländer. „Es ist eine Ehre, diese Verantwortung zu haben und ein Vorbild für Kinder zu sein. Ich war einmal wie sie und habe bei anderen nach Motivation gesucht. Ich bin nicht perfekt, aber ich versuche jedem zu helfen.“ Sein Ratschlag: „Habt Spaß am Fußball, lernt, spielt mit einem Lächeln und es wird euch gut gehen.“