Unter Ronald Koemans Vorgängern als Bondscoach tauchen auch einige Österreicher auf. In den 50ern leisteten Trainer wie Friedrich Donenfeld, Max Merkel und Heinrich Müller Entwicklungshilfe. Als Ernst Happel die Niederlande 1978 ins WM-Finale führte, war der Schritt an die fußballerische Weltspitze längst vollzogen. Eingeleitet von Rinus Michels, dem FIFA-Trainer des 20. Jahrhunderts, später verfeinert von Johan Cruyff.

Koeman hat von beiden gelernt. Für Cruyff absolvierte der einst geniale Libero 297 Pflichtspiele bei Ajax und Barcelona. Unter der Anleitung von Michels triumphierte er bei der EM 1988. Das bis heute einzige Turnier, das der dreifache WM-Finalist gewinnen konnte, ist gleichzeitig der größte Triumph und ein Schandfleck in Koemans Karriere.

Zwischen spätpubertär und dämlich

Die Holländer rangen im Halbfinale Gastgeber Deutschland nieder, inklusive Koeman-Tor. Nach dem Schlusspfiff tat der damals 25-Jährige so, als würde er sich mit dem von Olaf Thon ertauschten Trikot den Hintern auswischen. Eine Provokation, die irgendwo zwischen spätpubertär und dämlich einzuordnen ist, aber für einen riesigen Skandal sorgte.

„Ich bedauere, was ich nach dem Spiel tat. Es war eine impulsive Aktion, die mich mein Leben lang begleiten wird“, meint Koeman. Dass der Eklat 36 Jahre später anlässlich der Neuauflage einer EM in Deutschland wieder in aller Munde ist, erklärt sich auch mit Koemans Teilnahme als Teamchef. Unglaubliche 240 Pflichtspieltore erzielte der Blondschopf als Verteidiger. Als Trainer erging es ihm wie vielen Fußballer-Größen. Den letzten Zweifel an seinen Fähigkeiten vermochte er bislang nicht auszuräumen. Dabei zieren Titel seinen Lebenslauf. Je drei Mal wurde er Meister und Cupsieger. Die großen Erfolge stammen jedoch aus den Nullerjahren. Seither kann er lediglich den Pokalsieg 2021 aus seinem verkorksten Engagement bei Barcelona vorweisen.

Ein Trainer vom alten Schlag

Auf die Daten seiner Spielanalysten soll der streitbare 61-Jährige seltener bauen als andere Trainer. Wenn man alles weiß, sei man auch nicht glücklich, meinte Koeman in diesem Zusammenhang. Dies wirkt ein wenig aus der Zeit gefallen, wäre aber in der Sekunde vergessen, wenn der Bondcoach diesen namhaft besetzten Oranje-Kader zum EM-Titel führen sollte.

Ronald Koeman mit seiner Frau Bartina
Ronald Koeman mit seiner Frau Bartina © imago sportfotodienst

Fest steht allerdings auch: Es gibt Wichtigeres als Fußballstatistiken, jahrzehntealte Episoden oder Titelträume. Auch hochrangige Fußballtrainer führen ein „echtes“ Leben und sind vor Schicksalsschlägen nicht gefeit. Zweimal konnte seine Ehefrau Bartina bereits eine Krebserkrankung besiegen. Kurz vor dem EM-Start gab sie bekannt, dass die heimtückische Krankheit zurück ist.

Dass er sein Amt niederlegt und an ihrer Seite bleibt, lehnte sie strikt ab. „Ich bin eine starke Frau und komme klar. Ich hoffe so sehr, dass Ronald für seine harte Arbeit belohnt wird und wir Europameister werden. Ronald liebt seinen Job, er ist ein Vollprofi.“