Das Achtelfinalticket war einzementiert, dennoch verkam das letzte Gruppenspiel für Deutschland zu einer ordentlichen Belastungsprobe. Und das ungewollt, denn Bundestrainer Julian Nagelsmann setzte im Duell gegen die Schweiz alles daran, um weiter vom „Flow“, den sich seine Mannschaft mit zwei Siegen erarbeitet hatte, getragen zu werden: Noch nicht ein einziges Mal wich er von seiner Startelf ab, auch drohende Gelb-Sperren kosteten ihn nicht mehr als ein Schulterzucken. Das Gemeinsame soll die Mannschaft weiter formen, jegliches Risiko schien unerwünscht und unnötig. Dieser Plan schien aufzugehen: Deutschland hielt in der ersten Hälfte gegen die Eidgenossen bei mehr als zwei Drittel Ballbesitz, genügend Chancen und strahlte wie gewohnt Ballsicherheit und Dominanz aus. Ein frühes Tor war der Plan. Dass er nicht umgesetzt wurde, war einem Foul von Jamal Musiala geschuldet, das einem Treffer von Robert Andrich vorausgegangen war und der daher annulliert wurde (17.).

Dann wurde Fußball-Deutschland bei der Heim-EM auf die Probe gestellt. Nach einem Ballverlust von Musiala schalteten die Schweizer um, Dan Ndoye vollendete den Konter mit seinem ersten Länderspieltor für die Schweiz (28.). Zum ersten Mal im Turnierverlauf lag Deutschland im Rückstand. Man konnte nicht agieren, man musste reagieren.

Und das sollte eine echte Herausforderung werden. Die Schweizer stellten nach Wiederanpfiff ihre Bemühungen alles andere als ein, doch der Ball rollte meist durch ihre Spielhälfte. Deutschland machte Druck, hatte eine Vielzahl an Chancen. Allein: Sie gingen nicht rein. Ein Schuss von Musiala fiel zu mittig aus (50.), ein Versuch von Toni Kroos zu unpräzise (55.). Die Defensive der Schweiz war gefordert, erwies sich nicht immer als sattelfest, aber im Ernstfall auch alles andere als löchrig. Nach einer Stunde brachte Julian Nagelsmann mit David Raum und Nico Schlotterbeck erstmals frischen Wind in das Spiel. Gegen das Tor des Schweizers Yann Sommer herrschte zwar Dauerbetrieb, aber die Schweiz war alles andere als abgemeldet: Sie attackierte früher als in Hälfte eins, presste den Gegner punktuell an und verlangte Deutschland alles ab.

In der Schlussphase wurden die deutschen Angriffe zwar nicht seltener, aber dennoch zunehmend träge. Die Souveränität der Elf von Julian Nagelsmann ging verloren. Die Intensität des Spiels pendelte sich dennoch auf einem hohen Level ein: Joshua Kimmich vergab eine Riesenchance (70.), ein Tor des Schweizers Ruben Vargas wurde wegen Abseits abgepfiffen (85.). Erst Niclas Füllkrug erlöste sein Team in der Nachspielzeit mit dem 1:1. Der Torschütze sprach von einem wichtigen Punkt: „Im Nachhinein könnte das ein Knackpunkt in so einem Turnier gewesen sein.“