Keine Dynamik, keine Spielfreude, kein Sieg: Mitfavorit England wurde den Erwartungen auch im zweiten Gruppenspiel bei der Fußball-EM nicht gerecht, Teamchef Gareth Southgate stellte sich nach dem nächsten schwachen Auftritt der Three Lions auf harte Tage ein. „Das ist meine Verantwortung. Ich muss das Team bestmöglich begleiten, um besondere Dinge zu erreichen. Heute war ein schwieriger Moment, kein Zweifel“, sagte Southgate nach dem mageren 1:1 gegen Dänemark am Donnerstag.

Nach der Führung durch Harry Kane, die eher zufällig entstand, und dem Ausgleich durch Dänemarks Morten Hjulmand, der früher bei der Admira gekickt hatte, hatte der Vize-Europameister von 2021 am Ende sogar Glück, das Spiel nicht verloren zu haben. Die heimischen Fans im Frankfurter Stadion quittierten die Vorstellung des wertvollsten Teams bei dieser Europameisterschaft mit einem Pfeifkonzert nach dem Schlusspfiff.

„Natürlich sind wir enttäuscht von den beiden Leistungen, die wir gezeigt haben. Wir müssen Lösungen für diese Probleme finden. Unser Niveau muss höher werden“, sagte Southgate, dessen Team beim Auftakt-1:0 gegen Serbien ebenfalls nicht über die volle Distanz überzeugt hatte. Die britischen Medien und Ex-Nationalspieler werfen dem 53-Jährigen vor, zu defensiv aufzustellen und nicht das Maximum aus dem Team herauszuholen.

Es ist nach der WM 2018, der EM 2021 sowie der WM 2022 das vierte Turnier der Three Lions unter Southgate. Das Weiterkommen ist zwar mit vier Punkten und Gruppenplatz eins nicht in Gefahr. Gegen Slowenien geht es am Dienstag (21.00 Uhr) aber auch darum, ein mögliches Achtelfinale gegen Gastgeber Deutschland abzuwenden. Kapitän Kane hat trotz seines Treffers gegen Dänemark bisher große Probleme, Bezug zum Spiel zu finden. „Er muss besser spielen“, sagte der frühere Starspieler Gary Lineker.

„The Sun“ schrieb von „zahmen Löwen“, der Guardian analysierte, dass England verängstigt aussehe und „kein funktionierendes Mittelfeld“ habe. England habe gespielt wie ein Team mit einer Migräne. Im zentralen Mittelfeld agierten Declan Rice und Trent Alexander-Arnold, die wenig Chemie zeigten. Bei Liverpool ist Alexander-Arnold meist als Rechtsverteidiger im Einsatz, bei den Three Lions ist aber Kyle Walker auf dieser Position gesetzt.

Teamchef bezeichnet Trent Alexander Arnold als Experiment

Eine Aussage von Southgate sorgte indes für Irritationen, er stellte die Rolle von „TAA“ infrage. „Wir wissen, dass es ein Experiment ist und wir keinen natürlichen Ersatz für Kalvin Phillips haben“ sagte der Coach bei der BBC. Phillips wurde allerdings nicht von Southgate nominiert, der 28-Jährige hatte in der abgelaufenen Saison bei Manchester City und als Leihspieler bei West Ham United insgesamt zwölf Ligaspiele absolviert, davon keines über die volle Distanz. Der frühere Torjäger Alan Shearer betonte: „Gareth Southgate wird sich ernsten Fragen stellen müssen. Man kann viel mehr aus diesen Spielern herausholen als er es momentan tut.“

Während die englischen Fans in Frankfurt verstummten, jubelten die dänischen Anhänger über einen Punkt. „Es ist großartig, dass wir vor diesen Fans, in diesen Stadien spielen können“, sagte Teamchef Kasper Hjulmand. Kapitän Christian Eriksen sprach von „gemischten Gefühlen“, drei Punkte seien möglich gewesen. In Gruppe C sind die Dänen nach dem zweiten 1:1 ex aequo mit Slowenien mit zwei Punkten derzeit Zweiter, mit einem Sieg gegen Serbien (1) am Dienstag wäre der Achtelfinal-Aufstieg fix, bei einem Unentschieden sehr wahrscheinlich.

Einen emotionalen Moment erlebte die Familie Schmeichel. Als Peter Schmeichel seinem Job als Interviewer für Fox Sports nachging, ergab sich für den 60-Jährigen eine besondere Situation. Schmeichel Senior interviewte seinen eigenen Sohn Kasper, der seit Jahren das dänische Tor hütet. Am Ende des kurzen Frage-Antwort-Spiels nahm Schmeichel seinen Sohn in den Arm und sagte: „Ich mache viele Interviews nach dem Spiel, aber so etwas mache ich normal nicht. Gut gespielt.“

Lange gut gespielt hat auch Slowenien beim 1:1 im Parallelspiel gegen Serbien. Dass es mit dem ersehnten EM-Premierensieg nicht klappte, war einem Gegentor in der 95. Minute geschuldet. „Es scheint, als würde einfach alles gegen uns laufen“, sagte Mittelfeldspieler Timi Elsnik. In letzter Sekunde war Slowenien der so gut wie sichere Einzug ins Achtelfinale entrissen worden - jetzt ist der Weltranglisten-57. nur noch Außenseiter auf einen der Plätze für die K.o.-Runde.

„Wir sind natürlich enttäuscht“, resümierte Zan Karnicnik, der die Slowenen in der 69. Minute in Führung gebracht hatte. Dann aber gelang Luka Jovic nach einem Eckball doch noch der Ausgleich (96.). „So ist Fußball. Manchmal schenkt er dir großartige Dinge, und dann nimmt er dir wieder was weg“, sagte Karnicnik, der zum Spieler des Spiels gewählt worden war. „Wir können sehr stolz auf das sein, was wir bei dieser EURO bereits erreicht haben.“

Die Slowenen versuchen nun, den Frust in Motivation umzuwandeln für ihr abschließendes Gruppenspiel gegen England am Dienstag (21.00 Uhr) in Köln. „Wir können lamentieren, aber wir sollten uns lieber auf das letzte Spiel vorbereiten“, forderte Teamchef Matjaz Kek. Er hat den Glauben an höhere Kräfte und eine finale Gerechtigkeit offenbar noch nicht verloren. „Sport und Fußball können grausam sein - aber Karma wird es richten.“