Vor dem großen Match hatten sich die Erwartungen in zuvor nicht für möglich gehaltene Dimensionen hinaufbewegt, der Erfolgshunger war groß, genährt durch Spieler, Trainer und den Rest der österreichischen Fußballwelt. Nach 22, 23 Minuten dürfte sich die Einsicht durchgesetzt haben, dass Frankreich doch kein Jausengegner sein würde. Zu diesem Zeitpunkt hätte vermutlich jeder normal tickende heimische Beobachter ein Remis, auch ein torloses, angenommen. Nicht, dass die Franzosen Topchancen im Minutentakt herausgespielt hätten, aber sie strahlten mit jeder Angriffsaktion eine Attacke gegen die Abwehr der ÖFB-Kicker und die Herzmuskeln der rund 20.000 rot-weiß-roten Fans in der Düsseldorf Arena. Die ohnehin nur flüchtige Annahme, Frankreich könnte (nach den politischen Statements) eventuell nicht mit totaler Konzentration bei der Sache sein, stellte sich jedenfalls schnell als Fehleinschätzung heraus. Alle gelangten zur Erkenntnis: Es ist das Auftaktspiel einer EM.

Die erste große Gelegenheit fand, wie sollte es anders sein, Kylian Mbappe vor, der allein auf Patrick Pentz zulief, doch am bravourös reagierenden Torhüter scheiterte. Nach der ersten Durststrecke begannen die Österreicher nach eigenen Erfolgserlebnissen zu lechzen und wären damit beinahe durchgekommen. Nach toller Vorarbeit von Michael Gregoritsch und Marcel Sabitzer hatte Christoph Baumgartner die Führung am Fuß, seinen Chip wehrte Torhüter Mike Maignan ab. Zwei Minuten später folgte der Schock. Ein leichtfertiger Ballverlust und eine Fehlerkette brachte Frankreich das 1:0. Max Wöber köpfelte eine Flanke von Mbappe Richtung Antoine Griezmann ins eigene Tor. Die Österreicher könnten damit hadern, denn die Aktion folgte auf eine Fehlentscheidung des spanischen Schiedsrichters Jesus Gil Manzano. Nach der Abwehr von Maignan ins Tor-Aus bei Baumgartners Chance gab es Abstoß statt Eckball.

Video: Das sagen die Fans über das Spiel

Österreichs Abwehr hatte in Hälfte eins enorm viel Arbeit zu verrichten, vor allem Ousmane Dembele war wiederholt nur durch Fouls zu stoppen. Die Folge waren zwei frühe gelbe Karten für Wöber und Phillipp Mwene. Für die zweite Hälfte war der Auftrag naheliegend, denn es musste offensiv mehr geschehen. Das beherzigte die Mannschaft von Ralf Rangnick, sie versuchte, die Kraft der Überzeugung wirken zu lassen, zeigte mehr Entschlossenheit, hatte in der 55. Minute aber großes Glück. Mbappe lief Wöber auf und davon, verfehlte jedoch das Tor. Es wäre eine Vorentscheidung gewesen. So blieb das Resultat im erträglichen Bereich und genügend Zeit, um das Ergebnis umzudrehen.

Großer Aufwand, geringer Lohn

Nach einer Stunde sollten Gernot Trauner, Patrick Wimmer und Marko Arnautovic als frische Kräfte bei diesem Unterfangen tatkräftig mithelfen. Eine Drangphase der Franzosen unterband diese Versuche jedoch zunächst, die Österreicher wurden beschäftigt, das Spiel wurde auf beiden Seiten immer lebhafter. Die Frage stand im Raum: Wie zwingend kann das ÖFB-Team, das vergeblich auf einen Elfmeter hoffte, als Sabitzer in die Zange genommen wurde, noch werden? Ordentlich gekracht hat es bei einem Zusammenstoß von Maignan und Baumgartner, für den der ÖFB-Star Gelb sah. Auch diese Szene symbolisierte, mit welcher Aggressivität das Team auf den Ausgleich drängte. Leider stand sie auch dafür, dass oft ein Schritt fehlte. So auch bei einem Konter von Wimmer, der viel Schwung ins Spiel brachte. Das Publikum peitschte Österreich nach vorne, doch der Ausgleich wollte nicht gelingen. Der Aufwand war riesig, der Lohn gering. Durch diese Niederlage steht Österreich am Freitag gegen Polen im Duell der beiden Verlierer des ersten Spieltags bereits unter Zugzwang.