Zwei amtierende Titelträger spielen in Deutschland um den rund acht Kilo schweren Henkelpott aus reinem Silber. Beide duellieren sich in der Gruppe B: Italien, der Europameister von 2021, sowie Spanien, der aktuelle Nations-League-Sieger. Die Iberer gewannen im Vorjahr das Finale des Uefa-Bewerbs im Elfmeterschießen gegen Kroatien – ein weiterer Teilnehmer in der von Experten und Fans gleichsam bezeichneten „Todesgruppe“.

Spanien und ein 16-jähriger Shootingstar

Der 16-jährige Lamine Yamal ist Spaniens jüngster Team-Debütant aller Zeiten
Der 16-jährige Lamine Yamal ist Spaniens jüngster Team-Debütant aller Zeiten © IMAGO / Cesar Cebolla / Pressinphoto

Ein wirklicher Favorit ist in diesem Dreigestirn nicht auszumachen, am ehesten vielleicht die Spanier. Die Qualifikation absolvierte der dreifache Europameister recht souverän, holte 21 von 24 möglichen Punkten bei 25:5 Toren. Im EM-Kader setzt Trainer Luis de la Fuente auf „Goldies“, die Mischung aus goldenen Talenten und Oldies. Spannend dabei: Die Routiniers (Carvajal, 32, Nacho, 34, Morata, 31) kommen aus Madrid, die jungen Wilden aus Barcelona. Neben Pedri (21) sind dabei die Augen vor allem auf Lamine Yamal gerichtet. Der Shootingstar (Marktwert: 90 Millionen Euro) dürfte in der Stammelf gesetzt sein und könnte bei der EM seinen 17. Geburtstag feiern. Der fällt nämlich auf den 13. Juli, einen Tag vor dem großen Finale.

Yamals Vater ist Marokkaner, er wäre daher auch für die Nordafrikaner spielberechtigt gewesen. Das verhinderte de la Fuente, weil er ihn im September 2023 beim EM-Qualispiel in Georgien debütieren ließ, er im Alter von 16 Jahren und 57 Tagen zu Spaniens jüngsten Debütanten avancierte.

Kroatien: Alles hängt von Modric ab

Luka Modric ist Kroatiens bester Spieler aller Zeiten
Luka Modric ist Kroatiens bester Spieler aller Zeiten © AFP / Patricia De Melo Moreira

Yamal war noch gar nicht geboren, als Luka Modric seinen ersten Titel feierte. 2006 gewann der heute 38-Jährige mit Dinamo Zagreb die kroatische Meisterschaft. 30 weitere Titel sollten folgen, zuletzt sein sechster Champions-League-Sieg mit Real Madrid. Mit Modric steht und fällt die Performance des Vizeweltmeisters von 2018 und WM-Dritten von 2022. Für den besten kroatischen Spieler aller Zeiten wird die EM in Deutschland wohl das letzte große Turnier sein, bei dem alles möglich ist: vom Vorrunden-Aus bis zum Titelgewinn. Neben Modric glänzt im Mittelfeld Mateo Kovacic (30). Der gebürtige Linzer blickt auf Stationen bei Inter, Real und Chelsea zurück, steht aktuell bei ManCity unter Vertrag und gewann bisher 20 Trophäen. Ebenso auffällig im Team: Sechser Marcelo Brozovic. Der 31-Jährige hält seit 2022 den WM-Rekord mit 16,7 Kilometern in einem Spiel.

Italien: Inter mit der stärksten Fraktion

Kapitän Nicolo Barella (links) ist einer von fünf Spielern von Meister Inter Mailand in Italiens Teamkader
Kapitän Nicolo Barella (links) ist einer von fünf Spielern von Meister Inter Mailand in Italiens Teamkader © AFP / Charly Triballeau

Der amtierende Europameister Italien kämpft aktuell mehr mit sich selbst als mit den Gegnern. Auf den EM-Triumph 2021 folgt die Schmach von 2022, als der vierfache Weltmeister in der Quali für die WM in Katar im Play-off blamabel an Nordmazedonien scheiterte. Der Trainer damals: EM-Hero Roberto Mancini. Das vorzeitige Scheitern mochte die leidgeprüfte Fan-Seele noch verkraften, nicht aber Mancinis Kündigung per Mail im August 2023, verbunden mit dessen Wechsel auf den Millionen Dollar schweren Teamchefposten von Saudi-Arabien.

Drei Wochen vor dem vierten Quali-Spiel für die Euro in Deutschland stand Italien ohne Teamchef da. Verbandspräsident Gabriele Gravina handelte schnell und verpflichtete Luciano Spalletti, der sich nach dem Titelgewinn mit Neapel eigentlich ein Sabbat-Jahr genehmigen wollte. Der 65-Jährige machte, wofür er geholt wurde und brachte Italien zum elften Mal zu einer Euro. Wenn auch mit viel Krampf. Spalletti fand noch nicht das richtige System und die richtige Stammformation. Die stärkste Fraktion im 26-Mann-Kader bildet eine fünfköpfige Abordnung von Meister Inter Mailand. Drei davon haben große Chancen auf die Startelf, die drei Spieler mit dem höchsten Marktwert: Linksverteidiger Federico Dimarco (Marktwert 50 Millionen Euro), Innenverteidiger Alessandro Bastoni (70 Mio.) und Kapitän Nicolo Barella (MW 80 Mio.).

Albanien mit Europa-League-Sieger

Albaniens Teamkapitän Berat Djimsiti gewann mit Atalanta Bergamo die Europa League
Albaniens Teamkapitän Berat Djimsiti gewann mit Atalanta Bergamo die Europa League © IMAGO / Www.imagephotoagency.it

Die Gruppe B wird komplettiert von Albanien, einem gefährlichen und unterschätzten Außenseiter. Unter Teamchef Sylvinho, einem Brasilianer der als Spieler mit Barcelona zweimal die Champions League gewann, beendete die Balkan-Elf ihre Quali-Gruppe als Erster, vor Österreichs Gruppengegner Polen und Tschechien. Dabei blieben die Rot-Schwarzen sieben Spiele in Folge unbesiegt, kassierten lediglich vier Gegentore. Die Kunst des Verteidigens perfektionierten viele Albaner in Italien. Gleich neun Spieler des 26-Mann-Kaders waren in der abgelaufenen Saison in der Serie A engagiert, darunter Berat Djimsiti, der Atalanta Bergamo als Kapitän zum Europa-League-Sieg über Bayer Leverkusen führte.