Im Jahr 1873 führt der Wiener Börsenkrach („schwarzer Freitag“) international zu einer schweren Finanz-Depression. In Illinois (USA) wird der Stacheldraht erfunden, in Ungarn entsteht die Hauptstadt Budapest durch die Zusammenlegung der Städte Buda, Öbuda und Pest - und in Glasgow wurde die Scottish Football Association (SFA) gegründet. Der schottische ist nach dem englischen der zweitälteste Fußballverband der Welt. Traditionsverbunden, wie die Briten sind, muss dieses 150-Jahr-Jubiläum gebührend gefeiert werden. Natürlich mit einem Länderspiel zwischen Schottland und England. Natürlich in Glasgow. Und natürlich im Hampden Park, dem Austragungsort des ersten Länderspiels der Fußballgeschichte.

Weltweit erstes Fußball-Länderspiel

Ein Plakat des ersten Länderspiels der Fußballgeschichte, das im schottischen Fußballmuseum im Hampden Park hängt
Ein Plakat des ersten Länderspiels der Fußballgeschichte, das im schottischen Fußballmuseum im Hampden Park hängt © Tilli

Ein Jahr vor der offiziellen Gründung der SFA, am 30. November 1872, trafen Schottland und England aufeinander. Überlieferungen zufolge soll es ein nebeliger Tag gewesen sein. Ein Pressezeichner illustrierte das Sport-Ereignis: Auf der Zeichnung sind mehrere sportlich gebaute Männer zu sehen, die in Unterwäsche-ähnlicher Bekleidung dem runden Leder hinterherjagen. Die sechs Stürmer der Schotten brachten die englische Abwehr immer wieder in große Nöte. Doch der englische Keeper hielt sein Tor (zwei Latten und ein quer gespanntes Band) sauber. Die Partie endete vor 4000 Zuschauern 0:0. Danach trafen sich die Spieler beider Mannschaften im Carrick’s Royal Hotel zum Abendessen.

Eine Spielszene aus dem Jahr 1872
Eine Spielszene aus dem Jahr 1872 © KK

Heutzutage undenkbar, und auch am Dienstag nicht geplant. Zu eng ist der Zeitkorsett, bereits am Samstag geht es in der Premier League weiter. Wo sich Spieler beider Teams ohnehin wieder treffen, Schottland-Kapitän Andrew Robertson und Trent Alexander-Arnold werden bei Liverpool gemeinsam die Außenbahnen beackern, Harry Maguire und Scott McTominay auf der Ersatzbank von Manchester United über das Jubiläumsspiel philosophieren.

England-Teamchef Gareth Southgate unterstreicht die Bedeutung dieses Klassikers: „Jedes Treffen mit Schottland ist immer etwas Besonderes. Dieses Jubiläumsspiel wird aber unvergesslich.“ Ähnlich sieht es Schottlands Teamchef Steve Clarke: „Dieses Spiel ist in der Geschichte des Weltfußballs verankert. Ich werde stolz sein, unser Team nach Hampden zu führen.“

Rekordhalter bei Länderspiel und Europacup

Real Madrid (rechts Alfredo di Stefano) gewann 1960 im Hampden Park gegen Frankfurt vor 127.000 Zusehern 7:3
Real Madrid (rechts Alfredo di Stefano) gewann 1960 im Hampden Park gegen Frankfurt vor 127.000 Zusehern 7:3 © (c) AP

Der Hampden Park wurde für dieses „150th anniversary“ bewusst gewählt. Der erste, originale Hampden Park, nur wenige Schritte vom aktuellen entfernt, war das erste Fußballstadion weltweit. Der heutige wurde 1903 eröffnet und hält zwei Rekorde. 1937 gewann Schottland gegen England mit 3:1 – vor 149.000 Zuschauern, das noch heute bestbesuchte Länderspiel Europas. 1960 deklassierte Real Madrid im Finale des Europapokals der Landesmeister Eintracht Frankfurt mit 7:3, 127.000 Besucher verfolgten die Partie, so viele wie noch nie bei einem Europacupspiel.

Ost und West statt Heim und Auswärts

Kurios: Wer im Hampden Park Heim- und Auswärtskabinen sucht, wird nicht fündig. Sehr wohl gibt es eine „West“- und „Ost“-Kabine. Der Hintergrund: Keines der beiden großen Glasgower Teams soll bei Spielen wie dem Cupfinale „bevorzugt“ werden. Daher zieht es die geographisch im Osten der Stadt gelegenen Celtics in die „Ost“-Kabine, die Rangers dementsprechend in die „West“.

Der eckige Pfosten war schuld

Nicht nur auf der Insel ranken sich viele Geschichten um den Hampden Park. 1976 gewann der FC Bayern ebendort das Europapokal-Finale gegen St. Etienne 1:0. Weil die Franzosen damals zwei Mal nur die Latte trafen. Vom Querbalken, der damals noch eckig war, sprang der Ball zurück ins Spielfeld. Über 40 Jahre ist diese tragische Pleite nun her, doch noch heute weiß so gut wie jeder in St. Etienne, was es mit den „Poteaux Carrés“, dem eckigen Pfosten, auf sich hat.

2013 erhielt die Europapokal-Saga neuen Schwung: Fans aus St. Etienne fanden in Glasgow die eckigen Pfosten von 1976! In einem Geräteschuppen moderten sie vor sich hin. Die Nachricht schwappte schnell nach St. Etienne über und versetzte einen ganzen Klub in Aufregung. AS St. Etienne rief in Glasgow an, zahlte 20.000 Euro. Seither können Fans „Les Poteaux Carrés“ im vereinseigenen Museum bewundern, wo sie ausgestellt werden wie ein heiliges Relikt.

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