Gerne wird der Sport um das runde Leder als völkerverbindendes Konstrukt hochstilisiert. Großereignisse wie Welt- oder Europameisterschaften werden nicht selten als internationale Feste gesehen und tatsächlich trägt der Fußball viel zur multinationalen Integration bei. Der Politikwissenschaftler und Sporthistoriker Georg Spitaler sieht im Fußball jedoch eine Medaille mit zwei Seiten. Zum einen habe der Sport nach 2015 Flüchtlingen und anderen Gruppen „den Zugang zur Bevölkerung ermöglicht“, zum anderen spielen sich auf und neben den Plätzen nach wie vor unschöne Szenen ab, die ein schweres Foul an der Integration und Diversität begehen. So waren auch in der derzeit abgebrochenen Saison rassistische Beleidigungen wie gegen Schalke-Star Jordan Torunarigha oder Inter-Stürmer Romelu Lukaku keine Einzelfälle.

Der vorherrschende Rassismus ist ein unrühmlicher Mitspieler des im Fußball oft hochtrainiertem Nationalismus. „Der Fußball ist für solche Tendenzen besonders anfällig, da er teils stark auf stereotypische Attribute wie Männlichkeit bespielt“, meint Spitaler zum Thema und ergänzt, dass der Sport gerade in der unmittelbaren Nachkriegszeit „eine harte Möglichkeit bot, um sich mit Nationen zu identifizieren.“  Ob sich eine höhere nationale Identifikation nach der Corona-Krise anbahnen wird und ob der Fußball noch mehr Zündstoff bieten kann, traut sich Spitaler vorerst noch nicht zu prognostizieren, warnt aber vom Potential, das gegeben ist und bereits seine Spuren hinterlassen hat.  

Neben der Identitätsfrage sieht sich der Fußball stets auch in wirtschaftlichen Aspekten konfrontiert. Millionentransfers und hoch dotierte Fernsehverträge gehören zum Profifußball wie der Ball und die Tore. Durch die aktuelle Lage kommt der Geldfluss ins Stocken und viele Vereine müssen den finanziellen Gürtel enger stellen. Spitaler schätzt die Lage hierzu äußerst kritisch ein. Er geht davon aus, dass sich vor allem kleinere Ligen wie die österreichische Bundesliga, aufgrund weniger hoch-dotierter Fernseh- und Sponsorenverträge, „auf schwierige Zeiten nach Corona einstellen müssen“.

Größere Ligen wie in England werden dem Sporthistoriker zufolge jedoch weniger unter den Folgen von Corona leiden. So kann man davon ausgehen, dass sobald der Ball wieder ins Rollen kommt, der Rubel ihm folgen wird. Spitaler erwartet demnach kein Einsetzen von Demut im Bereich von Transfersummen, er ist sich sicher, dass auch der Fußballfunktionär „die Krise schnell vergessen haben wird.“ Eine Prognose, die im Bereich der Fairness nur wenig Spielraum für Hoffnung lässt.