Herr Calmund, wie sehr haben Sie denn Montagnacht gefürchtet, dass es ein zweites Cordoba geben könnte?
Reiner Calmund: Ich war ja nicht in Wien sondern bin in Klagenfurt im Stadion gesessen. Aber ich kann Ihnen versichern, nicht nur die Mannschaft, ganz Deutschland hat gezittert.

Sie haben Österreich also allen Ernstes zugetraut, Deutschland aus der EM zu werfen?
Calmund:Ich haben immer gesagt, die Österreicher haben eine 30-prozentige Chance. Und die hatten sie auch.

Aber stand Österreich nicht bereits nach der Niederlage zum Auftakt gegen Kroatien mit dem Rücken zur Wand?
Calmund: Ach wo. Österreich hätte sich gegen inzwischen überragend spielende Kroaten ein Remis verdient. Ein paar Superschlaue haben sofort auf Hickersberger und dessen Taktik hingeschlagen. Aber Österreich hatte mehr Spielanteile, hatte die besseren Chancen. Die Taktik kann's also nicht gewesen sein.

Es ging auch weniger um die Taktik, als um Kritik an einzelnen Personen.
Calmund: Wen meinen Sie?

Nehmen wir zum Beispiel einen Ivanschitz und vergleichen ihn mit Ballack. Spiegelt sich darin nicht ziemlich genau der Unterschied zwischen Österreich und Deutschland wieder?
Calmund: Tja . . . vertauschen wir die beiden einfach. Hätte Ballack bei den Österreichern gespielt und Ivanschitz bei uns, dann wäre es für Deutschland viel, viel schwieriger gewesen, diese Zitterpartie zu überstehen.

Aber man kann es drehen und wenden, wie man will, Österreich ist auf dem Papier als schlechtester Gastgeber der EM-Geschichte ausgeschieden.
Calmund: Das spielt keine Rolle. Österreich hat sich dennoch sehr, sehr achtbar aus der Affäre gezogen. Deutschland hat am Montag wie Espenlaub gezittert. Die Österreicher sind nicht mehr die Deppen, sie waren hier voll und ganz akzeptiert.

Wie stellt sich für Sie die Europameisterschaft außerhalb der Stadien dar?
Calmund: Das Wichtigste: Es gibt absolut kein Gewaltpotential. Es hat bei der EM 2004 keines gegeben, bei der Weltmeisterschaft vor zwei Jahren nicht und hier bei der Euro ist es bisher auch völlig friedlich. Das ist genau so wichtig wie ein 1:0 auf dem Spielfeld.

Logisch, die Straßen und Fan-Zonen waren ja tagelang menschenleer...
Calmund: Wundert Sie das? Wenn man Bus- und Taxifahrer vorher ratet, sich schuss- und stichfeste Westen anzuziehen. Wenn Frauen Pfefferspray und Alarmanlagen in den Handtasche tragen. Aber fragen Sie bei der Polizei nach. Es ist kein einziges Sexualdelikt bekannt. Und Betrunkene gibt es beim Villacher Kirchtag genau so.