Mitternacht am Basler Bahnhof. 90 Minuten nach dem eidgenössischen Sommer-Drama im St. Jakob-Park gegen die Türkei herrscht hier noch reges Treiben. Hunderte Fans der Schweizer "Nati" warten auf ihre Züge. Doch wer Tränen erwartet, der wird enttäuscht. "Hopp Schwiiz" hallt es durch die Bahnhofshalle. Dann stimmt einer den "Schwyzer Nati"-Gesang an, erst leise, dann immer lauter - Depression sieht anders aus. Auch Frust sieht anders aus. In der ganzen Schweiz kam es nach dem EM-Out "nur" zu 85 Festnahmen. Das eidgenössisch-türkische Duell, es blieb sportlich, mit Ausnahme einiger Rangeleien.

Keine Katerstimmung. Auch am Tag danach ist von Katerstimmung keine Spur. Die Schlagzeilen der Zeitungen sind das einzige, was an die erlittene Schmach erinnert. "Abgesoffen" titelte der "Blick". "Drama in der Nachspielzeit", prangte von der "Zürichsee-Zeitung". "Aus der Traum", vermeldete die "Aargauer Zeitung", "Der EM-Traum ist ertrunken", die Zeitung ".ch".

Schauplatzwechsel nach Freienbach. 11.30 Uhr. Die Schweizer Nati trainiert, rund 2500 fröhliche Fans bereiten den "Verlierern" einen lautstarken Empfang.

Depression sieht anders aus. Eine Stunde später. Teamchef Köbi Kuhn hält am Feusisberg, dem Teamquartier der Schweizer, hof. Die Pressekonferenz ist gut besucht. Die Fragen der vornehmlich Schweizer Journalisten kommen ruhig, Köbis Antworten noch ruhiger. Kritik gibt's nicht, Schmutzwäsche wird auch keine gewaschen - mediale Aufregung sieht anders aus. "Schmutz ist ja keiner sichtbar, also gibt es nichts zu kritisieren", erklärt Fredy Wettstein, Sportchef des renommierten "Tagesanzeiger". "In der Schweiz leben so viele Menschen mit Immigrations-Hintergrund, jetzt drücken wir eben anderen die Daumen", erklärt Roland Wehrli vom Radio "DRS" die Mentalität seiner Landsleute.

Multi-Kulti. Er spricht aus, was andere denken, etwa einer der Wachmänner am Feusisberg. "Wir sind Multi-Kulti. Bitter wäre nur, wenn auch die Italiener ausscheiden würden." Weiter zum Pressezentrum im Züricher Letzigrund. Schweizer Volunteers wünschen gut gelaunt den Österreichern alles Gute für das Match gegen Polen. "Damit wenigstes ihr im Turnier bleibt." So sieht Fairness aus.