Oranje- Fieber" titelt die Fachzeitschrift "Voetbal International" in ihrer aktuellen Ausgabe. Bars, Bäckereien und Blumengeschäfte hängen dieser Tage die Festbeflaggung auf, und vom Supermarkt bis zur Bank verkauft man Fanartikel in den Farben der Nationalmannschaft: die Einstimmung auf ein großes Turnier ist in den Niederlanden ein unverzichtbares Ritual.

Dürftige Leistungen. Doch der Funke der Begeisterung will noch nicht so recht überspringen: Die Selbstsicherheit, die ansonsten im Schlepptau des "Oranje-Gefühls" auftritt, scheint den Fans abhanden gekommen zu sein. Zu viele dürftige Leistungen in den letzten Jahren dämpfen die Erwartungen. Die Konstellation in Gruppe C mit Italien, Frankreich und Rumänien ist eine zusätzliche Euphoriebremse. Überhaupt steckt Oranje in einer Identitätskrise, seit es die eigenen stilistischen Ansprüche nicht mehr zu erfüllen versteht. Das Scheitern kurz vor dem Gipfel gehörte meist dazu.

Angriffsfußball. Sie wurde der "elftal" auch selten übel genommen, solange sie den Fans mit begeisterndem Angriffsfußball das Gefühl vermitteln konnte, der moralische und ästhetische Sieger zu sein. Gerade die Abgrenzung zum erfolgreicheren, doch unansehnlichen Ergebnisfußball der leidenschaftlich gehassten deutschen Nachbarn war dabei essenziell. Es wirkt wie eine Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet Bondscoach Marco van Basten der stilistische Verfall in die Schuhe geschoben wird. Vor 20 Jahren, als die Niederlande bei der EM in Deutschland ihren größten Triumph feierten, war er der umjubelte Held.

Favorit. Wegen seiner umstrittenen Personalpolitik und ergebnisorientierten Spielweise sehnen inzwischen viele Fans das Ende seiner Tätigkeit nach der Euro herbei. Auch das runde Jubiläum des einzigen Titels der Oranjes ist höchstens Publizisten Anlass zu schwärmerischen Rückblicken. Dabei sind Parallelen nicht zu übersehen: Auch damals gehörten die Niederlande nicht zu den Turnierfavoriten - und zumindest auf dem Papier zählt die heutige Offensivabteilung mit Van Persie, Robben, Huntelaar und Altstar Van Nistelrooy zur absoluten Weltspitze. Und eine Überraschung zum Auftakt gegen Italien würde auch das Oranje-Gefühl reaktivieren.