Ein paar Stunden, bevor Werner Gregoritsch eine Glatze und mit den Kapfenberger Fußballern den Meisterteller verpasst bekam, bestellte er sich in einem Kaffehaus in Graz-Gösting einen Toast und einen Tee. "Tschuldigung", sagte er und meinte die kurze Verspätung. "Ich zahle natürlich alles." Noch einmal fuhr er sich durch die frisch gewaschenen Haare . . .

Es ist aber nicht die erste Glatze in Ihrem Leben.
Werner Gregoritscht: Nein, nein, natürlich nicht. Am Tiefpunkt meines Lebens hatte ich eine Glatze, da habe ich bei der Chemotherapie alle Haare verloren. Jetzt ist der Höhepunkt meines Trainerlebens und ich habe wieder eine Glatze. So schließt sich der Kreis. Ein ungeheuer emotionales Erlebnisse. Damals kam ich völlig kahl in mein Stammcafe und ein Bub hat zu seiner Mama gesagt: ,Der Mann da wird aber nicht mehr lange leben, oder?' Das muss man erst verdauen. Wobei ich sagen muss, die Witzaktion mit den Glatzen für alle Trainer und den Vorstand ist ein Abbild des Teamgeistes, den wir in Kapfenberg entwickelt haben.

Provokante Frage: Was hat das kleine Kapfenberg eigentlich in der T-Mobile-Bundesliga verloren?
Werner Gregoritscht: Wir kommen als beste Heim- und beste Auswärtsmannschaft der Red-Zac-Liga. Wir haben die meisten Tore geschossen. Diese Mannschaft hat ihren Zenith noch nicht erreicht. Aber ich höre es schon: Neun der zehn Kapitäne sagen: Kapfenberg ist Fixabsteiger. Die Vereine werden weniger investieren, weil sie uns unterschätzen. Darauf freue ich mich schon sehr.

Was wird möglich sein?
Werner Gregoritscht: Natürlich wird es Rückschläge geben, aber wir können in Österreich sicher eine Rolle wie Altach, Ried oder Mattersburg spielen. Kapfenberg ist ähnlich wie Mattersburg. Leuten wie Martin Pucher oder unserem Erwin Fuchs müsste man ja ein Denkmal setzen. Das reizt mich und deswegen können mich Angebote aus Schwadorf und vom FC Magna nicht weglocken. Über die Jugendarbeit und die Stadt Kapfenberg kann hier wirklich Großes entstehen.

Welche Visionen hat der Trainer Gregoritsch?
Werner Gregoritscht: Meine Karriere habe ich mir früher so vorgestellt: GAK, wobei ich jetzt erstmals verraten kann, dass ich bis zu meinem 14. Lebensjahr 150-prozentiger Sturmfan war. Dann zur Austria, dann ins Ausland, dann Teamchef. Aber es ist anders gekommen: Schon als Co-Trainer beim GAK habe ich menschlich sehr viele Fehler gemacht, weil ich mit Respekt falsch umgegangen bin. Respekt ist eine Frage des Intellekts. Auch Demut ist eine zentrale Eigenschaft: Deshalb lasse ich oft auf schlechten Plätzen trainieren, dann geht es am Hauptfeld gleich viel besser. Es ist erstaunlich, was in Kickerköpfen Positives entsteht, wenn man das Trainingslager in Gußwerk macht und in der Jugendherberge wohnt.

Und wie geht Ihre Trainerkarriere weiter?
Werner Gregoritscht: Derzeit will ich Spieler und Klubs entwickeln. Nahziel ist, Kapfenberg in der Bundesliga zu halten, mit der Vision, dass fünfzig Prozent des Teams aus dem eigenen Nachwuchs kommen. Dann könnte ich mir vorstellen, mit fertigen Spielern bei Rapid oder Salzburg zu arbeiten. Ein Traum wäre, ein Jahr lang bei Arsene Wenger als Assistenz-Trainer zu sein. Er hat mich extrem beeinflusst, 70 Prozent meiner Ballübungen habe ich jetzt schon von ihm. Mit 60 würde mich die Leitung der Trainerausbildung im ÖFB reizen.

Werner Gregoritsch ist ein Über-Drüber-Super-Motivator?
Werner Gregoritscht: Das ist mein Ruf. Ich schätze aber Typen wie Frenkie Schinkels, der in Kärnten in kurzer Zeit extrem viel bewegt, oder Peter Pacult, der bei Rapid in einem extrem schwierigen Umfeld besteht. Ich gelte als guter Motivator, aber wenige sehen, dass wir 30 Tore aus Standardsituationen gemacht haben, weil wir alle Gegner beobachten und auf Video studieren. Wir haben taktisch viel gemacht. Ich habe 150 Videos über Fußballtechnik zu Hause, auch von Rafael Benitez, als er noch Kondi-Trainer war.

Apropos Spanien: Sie kommen gerade aus Madrid vom Match zwischen Real und Barcelona zurück. Was hat ein Herr Messi, was unsere Kicker nicht haben?
Werner Gregoritscht: Das sind Künstler, die 90.000 Menschen im Stadion zum Hüpfen bringen. Dass ihr Marktwert so hoch ist, ist okay, man muss das mit anderen Künstlern wie einer Netrebko vergleichen. Fußballerisch ist das eine andere Welt: Ballannahme, Pressing, in 90 Minuten wurde der Ball fünf Mal hoch gespielt. Dazu hat Arsene Wenger einmal einen Witz erzählt: Warum hat Gott keinen Fußballplatz auf Wolken bauen lassen? Weil der Ball nicht in der Luft sein soll.

Was fehlt unseren Fußballern im Vergleich zu den Weltstars?
Werner Gregoritscht: Unsere Kicker sind in Marzipan gehüllt. Bis zur U16 können wir mit Holland oder Italien mithalten. Dann vergessen wir auf die Ö-Stricherl und tun nur fördern statt fordern. Wir geben den Jungen zu viel Geld, dann sind sie satt und müde. Ein Rooney oder Ronaldo verdient 300.000 oder 500.000 Pfund pro Woche, aber am Wochenende marschieren sie wie die Teufel.

Wie werden Sie die Spiele der Euro erleben?
Werner Gregoritscht: Das größte Ereignis für Österreich in diesem Jahrhundert! Das ist mir so wichtig, dass wir die Trainingszeiten in Kapfenberg an die Spiele anpassen werden. Wir werden die EM-Matches als Lehrspiele ansehen und analysieren. Was gibt es Besseres für unsere Kicker?

Welche Erwartungen haben Sie?
Werner Gregoritscht: Ich freue mich darauf, zu beobachten, wie die Teams mit dem Druck umgehen. Wie spielt Österreich als Gastgeber? Wie spielt Italien als Weltmeister? Werde ich mit meinen Söhnen wieder wegen Michael Ballack streiten, den sie lieben und ich nicht? Spielen die Besten 4-3-3 oder 4-4-1-1?

Und Österreich?
Werner Gregoritscht: Österreich kann positiv überraschen. Zentral ist das erste Spiel gegen Kroatien. Wenn wir da nicht verlieren, ist der Aufstieg möglich. Man stelle sich vor, wie in diesem Land die Post abgeht, wenn wir die Kroaten schlagen. Bei dem Nationalstolz. Kroatien ist sowieso mein Lieblingsland, mein Vater stammt aus Varazdin, ging dann später nach St. Veit an der Glan. Die Kroaten haben mit Slaven Bilic auch einen ungeheuer interessanten Trainer: als Kicker ein Topmann, ein Super-Musiker und Jurist.

Und wie lange dürfen ihre Kapfenberger Bundesligakicker feiern?
Werner Gregoritscht:: Bis Dienstag haben sie frei, dann geht's bereits mit ersten medizinischen Tests weiter. Wer glaubt, wir haben jetzt schon etwas erreicht, ist am falschen Dampfer.