Herr Verlaat, derzeit genießen Sie Ihre Fußball-Pension in Portugal an der Algarve. Davor haben Sie aber in den Niederlanden bei Ajax und auch einmal im Nationalteam gespielt. Österreich kennen Sie auch sehr gut. Worin unterscheiden sich diese beiden Fußball-Welten?
Frank Verlaat: In den Niederlanden gibt es viel mehr Fußballer, da ist die Auswahl viel größer, man kann den Level höher ansetzen. Wir sind fußballverrückt - Tennis oder Schifahren findet kaum statt, jeder will Kicker werden. In Österreich ist das nicht ganz so, man muss mit weniger zufrieden sein.

Die Nachwuchsarbeit in den Niederlanden gilt als vorbildlich. Hat allein das ein ebenfalls relativ kleines Land zu einer Fußball-Großmacht gemacht?
Frank Verlaat: Ein kleines Land sind wir nur flächenmäßig - Einwohner gibt es etwa doppelt so viele wie in Österreich. Aber die Jugendarbeit legt sicher die Basis für alles.

Wo müsste man in Österreich ansetzen, wo gibt es den größten Aufholbedarf?
Frank Verlaat: Beim Nachwuchs hat man Fortschritte gemacht. Nur kommen die Jungen vor allem bei Spitzenklubs wie Salzburg kaum zum Zug. Auf der Bank kann sich aber keiner weiter entwickeln.

Kommen wir zu den "Oranjes". Holland ist bekannt als Multi-Kulti-Truppe. Ist das ein Vorteil oder manchmal auch ein Problem?
Frank Verlaat: Bei der EM 1996 gab es ein Problem zwischen Holländern und den Jungs aus Surinam. Aber nicht zwischen den Spielern selbst, sondern weil die Dunkelhäutigen bei Ajax weniger verdient haben als die Weißen. Das wurde dann medial aufgebauscht. Spielerisch waren ein Gullit, Rijkaard, Davids, Kluivert oder Seedorf aber immer eine echte Bereicherung.

Die großen Stars waren immer Legionäre - wie ist die niederländische Liga im Vergleich zu Österreich einzuschätzen?
Frank Verlaat: Sicher stärker. Nur die besten schaffen es ins Ausland, es bleiben auch genug starke Spieler daheim. Und Klubs wie Ajax Amsterdam, PSV Eindhoven oder Feyenoord gibt es in Österreich auch nicht.

Wie würden Sie die aktuelle "Oranje-Elf" einschätzen?
Frank Verlaat: Die Ergebnisse in letzter Zeit haben gepasst, aber in Holland wollen die Fans nicht nur Siege, sondern auch schönen Fußball sehen. Da waren in der Euro-Qualifikation nicht alle zufrieden, viele meinten, es sei alles zu leicht gegangen, ohne dabei zu glänzen. Seit dem 3:0 in Kroatien sind aber die meisten happy.

Wer sind die aktuellen Schlüsselspieler?
Frank Verlaat: Seedorf, Van der Vaart,Sneijder und Van Nistelrooy prägen das Spiel. Letzterer ist verletzt, aber Stürmer haben wir zum Glück genug.

Wie muss Österreich morgen im Happel-Stadion auftreten, um überhaupt eine Chance zu haben?
Frank Verlaat: Wie gegen Deutschland, nur sollten sie mehr Tore schießen und weniger bekommen. Respekt haben, mehr nicht. Frech und aggressiv ins Spiel gehen.

Spricht etwas für Österreich?
Frank Verlaat: Hm, schwierig. Vielleicht nehmen nicht alle Holländer das Spiel total ernst, weil sie mit den Köpfen mehr bei ihren Klubs sind.

Und die rot-weiß-roten Chancen bei der Euro?
Frank Verlaat: Viel wird vom ersten Spiel abhängen. Läuft es gegen Kroatien gut, könnte es eine Euphorie geben. Außenseiter sind sie, aber andererseits haben die Veranstalter nie ganz schlecht abgeschnitten.