Das eigentliche Interview, das Interview zum Thema Fußball, geht mit Verspätung los. Aber nicht, weil einer der Beteiligten unpünktlich zum Treffpunkt erschienen wäre, sondern deshalb, weil im Leben des Andi Herzog seit fast sieben Wochen ein anderes Thema sehr hohen Stellenwert genießt - Luca Tim. "Wennst' wickelst", sagt er und meint damit nicht den Wiener Ausdruck für Streiten, "dann ist's ratsam, ein Handtuch griffbereit zu haben, denn oft passiert's, dass dich der Kleine quasi aus Protest anpinkelt. Das ist die Reaktion auf die plötzliche Kälte, wenn er so pudelnackert auf dem Wickeltisch liegt."

Vater-Freuden. Die Freude, Vater geworden zu sein, steht ihm ins Gesicht geschrieben. Nein, mehr noch, sie scheint eintätowiert. Und mit leuchtenden Augen, so als stünde er gerade selbst das erste Mal vor dem Christbaum, spricht er von den Vorteilen des Nur-Stillens ganz ohne Zufüttern ("Da gacken sie angeblich weniger"), von den Schlafgewohnheiten des Juniors ("Vor allem zwischen acht und elf am Abend ist er recht unruhig, dann aber legt sich das") und vom Umgang der Hunde mit dem neuen Mitbewohner. "Der alte ignoriert ihn, der junge mag ihn."

Ich probier' den Themenwechsel mit einer bewusst pseudo-originell formulierten Frage: Könnte die EM-Auslosung Geburtsstunde für eine große Fußballzukunft sein?
ANDREAS HERZOG: Was bleibt mir anderes übrig, als das zu bejahen?

Tun Sie das halbherzig?
HERZOG: Täte ich das, wäre ich fehl am Platz. Völlig.

Gibt's eine Wunschgruppe?
HERZOG: Deutschland, Polen, die Schweden und wir.

Sind aber Polen und Schweden nicht Teams, gegen die wir daheim das Spiel machen müssten, was wir aber nicht können?
HERZOG: Wir das Spiel machen? Nein, das müssten wir nicht. Denn jeder, der gegen uns drankommt, wird sagen: "Wollen wir weiter, dann muss gegen Österreich ein Sieg her." Soll heißen: Egal gegen wen wir spielen, wir sind stets die in Lauerstellung.

Was muss in den Monaten bis hin zur Euro passieren, damit wir konkurrenzfähig sind?
HERZOG: Viel. Vor allem müssen die Spieler in der Winterpause in sich gehen, sich ihrer Defizite klar werden und an sich arbeiten. Eigeninitiative ist gefragt. Auch im Urlaub. Oder gerade.

Wissen die Herren das?
HERZOG: In der Theorie ja. Ob sie den inneren Schweinehund in der Praxis aber tatsächlich überwinden, ich weiß es nicht . . .

Das klingt nicht so, als hätten Sie größtes Vertrauen. Was unterscheidet beispielsweise einen Christoph Leitgeb vom jungen Andi Herzog?
HERZOG: Leitgeb ist von seinen spielerischen Fähigkeiten ein Ausnahmefußballer. Allerdings braucht es heute eine höhere Spielintelligenz als zu meiner Zeit. Seit es keinen Libero mehr und dafür die Viererkette gibt, ist der Fußball schwieriger, weil er raumorientiert und nicht mehr mannorientiert ist. Leitgeb kann es schaffen, wenn es ihm gelingt, schön langsam Persönlichkeit zu entwickeln. Wenn er mit 25 noch immer der Leitgeb von heute ist, dann hat er aber was verschlafen.

Was muss er tun?
HERZOG: Ins Ausland. Wäre ich nicht mit 23 zu Bremen, ich wäre nie der geworden, der ich wurde. Mit 25 hätte ich in Österreich oft nur 60 oder 70 Prozent gegeben. Oder geben müssen, weil's einfach gereicht hätte.

Viele Spieler klagen . . .
HERZOG: Entschuldige, wenn ich unterbreche, aber ich muss noch was zum Unterschied zwischen heute und früher sagen. Es hat sich viel getan, auch im Bereich der Medizin. Wenn uns, der WM-Generation von 1998 etwa, das Knie weh getan hat aber nichts eing'rissen oder g'rissen war, dann haben wir uns gesagt: So schlimm wird's schon nicht sein und haben weiter Gas gegeben. Heute macht man Magnetresonanzen und findet sofort irgendeine eine Kleinigkeit. Das kann schon blockieren. Die Angst, Schlimmeres zu provozieren und die Karriere aufs Spiel zu setzen. Uns war's wurscht. Wir haben uns, wie's so schön heißt, einfach nix g'schissen.