Seit über einem Jahr sind Sie nun japanischer Teamchef. Wie hat sich ihre Mannschaft weiterentwickelt?
Ivica Osim: Wir müssen immer realistisch bleiben. Die Mannschaft hat beim Asien-Cup korrekt gespielt. Es gibt viele gute Mannschaften. Das darf man nie vergessen.

Sie hatten mit Medienvertretern Meinungs-Verschiedenheiten.
Ivica Osim: Journalisten sind auf der ganzen Welt gleich. Sie wollen eine Mannschaft komponieren, die es nicht gibt. Sie wollten den Asien-Cup gewinnen. Sie wollen Weltmeister werden. Sie wollen jedes Spiel gewinnen. Es ist egal, ob es ein Cup-, ein WM-Spiel oder ein Freundschaftsspiel ist. Sie wollen immer und überall die Sieger sein. Japaner handeln wie in der Politik und in der Wirtschaft. Sie wollen die führende Nation sein, egal in welchem Bereich. Also auch im Fußball. Aber noch sind wir nicht soweit.

Klingt nach Stress.
Ivica Osim: Der Druck wird größer. Unser Ziel ist es, weiter aufzuholen und uns für die Weltmeisterschaft 2010 zu qualifizieren. Aber das wird sehr schwierig. Die anderen Länder wie Südkorea, Australien oder China haben gute Trainer und spielen einen guten Fußball. 15 Mannschaften haben etwa die gleiche Qualität. Wir müssen langsam der Spitze näher kommen, das braucht Zeit. Wenn man mit mir nicht zufrieden ist, muss man es sagen oder handeln.

Haben Sie noch Spaß bei ihrer Arbeit?
Ivica Osim: Spaß ist Spaß und Pflicht ist Pflicht. Alles was ich anfange, beende ich auch. Das ist eine Charaktersache. Klar ist aber auch, dass du es als Klub-Trainer leichter hast.

Wie schwierig wird das Spiel gegen Österreich?
Ivica Osim: Wir sind gerne nach Österreich gekommen, aber nicht bloß als Touristen. Für meine Mannschaft ist es wichtig, andere Kulturen kennen zulernen.

Warum haben Sie die beiden Salzburg-Legionäre Tsuneyasu Miyamoto und Alex eigentlich nicht nominiert?
Ivica Osim: Ich muss an die Zukunft denken. Beide sind Extraspieler. Aber sie zu jedem Qualifikationsmatch von Europa nach Japan zu holen, wäre nicht ökonomisch. Sie würden durch die Flüge kaum ihre hundertprozentige Leistung bringen können. Der Jet-Lag ist nicht zu unterschätzen.

Wie sehr unterscheidet sich der japanische vom österreichischen Fußball?
Ivica Osim: Ich bin schon seit fünf Jahren in Japan. Deswegen wäre es nicht korrekt, etwas zu sagen. Es gibt zwischen allen Mannschaften Unterschiede.

Der österreichische Fußball kommt und kommt nicht auf Touren.
Ivica Osim: Österreich und Ungarn haben einmal den Welt-Fußball geprägt. Aber sie sind auf der Strecke geblieben. Sie sind derzeit sozusagen der Vorgarten der großen Länder. Der Klub-Fußball zeigt vieles. Schade für Österreich, dass Salzburg nicht in die Champions League gekommen ist. Für die Stimmung im Land wäre es wichtig gewesen. Vor allem in Hinblick auf die Europameisterschaft.

Welche Chancen räumen Sie dem rot-weiß-roten Team bei der Euro ein?
Ivica Osim: Das kann man jetzt noch nicht sagen, weil man ja nicht weiß, wer spielen wird. Aber Österreich hat Potential. Das gibt es Leute wie Prödl, Harnik oder Leitgeb. Sie sind gut, haben aber so wie alle anderen keinen reservierten Platz in der Mannschaft. Das ich auch gut so. Wichtig ist nur, dass der öffentliche Druck nicht zu stark auf den Trainer und die Mannschaft übertragen wird. Man sollte die Erwartungen nicht zu hoch ansetzen, das wird zu stressig. Aber wie ich Josef Hickersberger kenne, wird er die Mannschaft gut schützen. Er kann das. Die Frage ist nur, ob ihn die anderen lassen.

Aber Druck im Fußballgeschäft ist doch normal.
Ivica Osim: Zu viel Stress ist nicht gut für die Entwicklung. Und junge Spieler brauchen eine Dosierung. Geduld ist gefragt. Man kann von ihnen nicht alles auf einmal verlangen. Wenn man das versteht und danach handelt, kann Österreich bei der Heim-Europameisterschaft etwas machen.