Es gibt Tage, da reißt's einen ÖFB-Präsidenten so richtig rum. Da ist man am Dienstag am Abend noch in Linz bei der U-19-EM, rumpelt spät in der Nacht über die Großbaustelle A1, die Westautobahn, zurück nach Wien, findet irgendwann gegen zwei Uhr in der Früh dann doch noch kurz ein bisschen Schlaf, ehe um sechs der Wecker läutet, man abermals (um)packen muss, um schon um acht Uhr in der Früh auf dem Flughafen Wien der Kleinen Zeitung Rede und Antwort zu stehen, ehe es ab nach Kanada zum Semifinale der U-20-WM geht.

Stickler bezieht klar Stellung. Doch Friedrich Stickler wirkt fröhlich, nicht etwa müde oder gar genervt. Wiewohl das ohnehin nicht seine Art ist. Der Chef der Lotterien ist und bleibt vom Typ her Diplomat, zugänglich, das ja, aber stets bedacht, nichts Falsches zu sagen und sich nicht allzu weit hinauszulehnen. Doch wenn man ihn so früh am Morgen auf einem Flughafen erwischt, bis zum Abflug nicht endlos viel Zeit ist, er also nicht ausschweifen, ausweichen und wohlformulierte Worthülsen in die schwüle Luft blasen kann, dann kommt dabei ein Gespräch raus, über das man dann durchaus sagen kann: Der Präsident bezieht klar Stellung.

Fliegen Sie gerne Langstrecke?
FRIEDRICH STICKLER: An sich nicht so rasend, aber diesmal ist's was anderes. Diesmal steige ich voller Freude in den Flieger. Ganz egal, ob ich dann am Sonntag ein Spiel um Platz drei oder ein Finale sehe. (Österreich unterlag den Tschechen mit 0:2 und trifft heute im Spiel um Platz drei auf Chile, Anm.) Was sich da Positives in Kanada abspielt, ist so oder so ein wahrer Genuss.

Was ist denn so positiv?
STICKLER: Dass der österreichische Weg, den wir nun seit dem Jahr 2000 beschreiten, der seit 2003 "Projekt Challenge '08" heißt, der eine Individualförderung und das Individualtraining unserer Talente vorsieht und der das ganz klar definierte Ziel hat, dass wir bei der EM 2012 mitspielen, erste Früchte trägt. Österreich muss ein Vorzeige-Ausbildungsland werden, das erfolgreich Spieler exportiert. Und ich bin der Ansicht, dass sich da langsam aber sicher einige mit Nachdruck empfehlen. Ich bin also zur Zeit wirklich guter Dinge, ohne aber die U-20-WM überbewerten zu wollen. Mir ist schon klar, dass man gute Fußballer nicht einfach so züchten kann, aber man kann einen Weg akribisch verfolgen. Das tun wir seit acht Jahren, und dass ein Nachwuchskonzept acht bis zehn Jahre braucht, bis es endgültig greift, ist mir klar. Auch, das U-19-Team, nebenbei bemerkt, kann mit den besten Teams Europas, nein, der Welt mithalten.

Aber schüttelt es Sie denn dann nicht vor Zorn, wenn bei Vereinen wie zum Trotz zum Teil wirklich drittklassige Legionäre auflaufen und die erfolgreichen U-20-Kicker in der Regionalliga herumlaufen?
STICKLER: Natürlich registriere ich das mit Unmut. Wenngleich ich auch registriere, dass die Zahl der Legionäre leicht zurückgeht. Mein Appell richtet sich nicht an die Trainer der Klubs, die sind zu kurz- und mittelfristigem Erfolg verurteilt. Mein Appell richtet sich an die Präsidenten. Die sind gefordert, umzudenken. Aber auch da registriere ich erste sehr positive Anzeichen. Nehmen Sie zum Beispiel Sturm Graz. Was dort passiert, kann man guten Gewissens einen wirklich guten Weg nennen. Die Präsidenten müssen Trainern Zeit geben, etwas probieren und so etwas entstehen zu lassen. Ich fordere endlich mehr Mut in den Chefetagen.

Wäre das U-20-Team in der Bundesliga Meister?
STICKLER: Lassen wir die Kirche bitte im Dorf. Man sieht auch bei den Partien in Kanada immer noch Fehler, wo man sagt "Um Himmels Willen!". Noch sind diese Talente im Stadium der Entwicklung. Bis sie ganz fertig sind dauert es noch ein Jahr, vielleicht eineinhalb Jahre, bei so manchem vielleicht auch nur ein halbes. Die Burschen allzu sehr zu glorifizieren, wäre gefährlich.