Toni Polster ist durch und durch Profi. Und dementsprechend geradeaus, wenn es gilt, Dinge auf den Punkt zu bringen. Er redet nichts schön, er sagt, was aus seiner Sicht Sache ist. So gesehen ist es nur logisch, dass er sich auch beim einleitenden Kapitel "Nie mehr Austria Wien" kein Blatt vor den Mund nimmt. Standpunkt ist Standpunkt, ein georteter Ist-Zustand ein georteter Ist- Zustand. Für Sentimentalitäten ist da kein Platz. Da funkelt mitunter durchaus auch der Zorn in seinen dunklen Augen, die aber spätestens dann zu leuchten beginnen, wenn er an seine violetten Anfänge denkt.

Anfänge. Im Jänner 1973, Toni war noch keine neun Jahre alt, stellte ihm sein Vater die alles entscheidende Frage. Jene, die das weitere Leben des Sohnes bestimmen sollte: "Willst' wirklich zu einem Verein?" Und wie er wollte, lieber gestern als heut'. Also machten sich Vater und Sohn an einem eiskalten Nachmittag auf in den Wiener Prater zu den Trainingsplätzen der "Veilchen". Dass es sich ausgerechnet um die Austria handelte, obwohl der Vater ein "Erzrivale", sprich ein ehemaliger Rapidler war und zudem der damalige Rapidler Hans Krankl Tonis erklärtes Vorbild, hatte einen simplen Grund.

"Im Austria-Nachwuchs war ein Ex- Rapidler tätig, den mein Vater recht gut kannte. Karl Giesser hieß der Mann. Der hat mir den Weg zu den B-Knaben geebnet, wo sie mich in einem internen Spielchen getestet haben. Außerdem galt die Nachwuchspflege bei der Austria damals als die beste. Als es schließlich hieß, dass man mich behalten würde, war ich im siebenten Himmel. Ich hab’ immer davon geträumt, ein echter Fußballer zu werden, nicht nur einer im Hof. Ich war von ganz klein auf besessen von dieser Idee, einmal in einem echten Dress und mit zehn anderen einzulaufen. Und plötzlich war ich’s. Ein Austrianer."

Abseitsregel. Was Giesser vorerst allerdings ebenso verabsäumt hat wie Tonis tatsächlicher erster Trainer, Robert Kopetko, war, dem hoffnungsfrohen Jung-Stürmer die Abseitsregel zu erklären. Und so trug es sich zu, dass Klein Anton schon im allerersten Spiel der Verzweiflung ziemlich häufig nahe war. "76 Mal, glaub' ich, bin ich allein in der ersten Halbzeit im Abseits gestanden und hatte keinen Schimmer, warum der Schiedsrichter andauernd pfeift. Mir war zum Heulen. Die Versuche vom Vater und vom Trainer, mir die Sache in der Halbzeit zu erklären, fruchteten auch nichts. Ich hab's einfach nicht kapiert."

Eines allerdings hat er ganz intuitiv begriffen: "Wenn es nicht gilt, wenn ich von meinen Mitspielern den Ball bekomme, dann muss ich etwas anders machen und ihn mir eben selbst holen." Gedacht, getan! Also schnappte sich Toni, was in späteren Jahren nicht unbedingt sein Stil sein sollte, irgendwann in Halbzeit zwei den Ball weit in der eigenen Hälfte und setzte zum ersten Solo seiner gerade einen Tag alten Karriere an. Sekunden später zappelte die Kugel im Netz, 1:1 lautete der Endstand. Toni war auf Anhieb ein Held.

Nummer 9. Der Gegner auf der legendären Pfarrwiese in Hütteldorf hieß übrigens ausgerechnet Rapid. Und Toni trug, wie könnte es anders sein, die Nummer 9. "Ich wollte einer wie Krankl werden." Gage gab's damals übrigens auch im schicksalshaften 73er-Jahr: Mannerschnitten und zehn Schilling.