Noch kein türkischer Gastarbeiter verdiente in Deutschland eine Mark. Damals 1951. Die Deutschen packten noch mit eigener Hände Arbeit das Wirtschaftswunder an. Der deutsche Fußball war gerade wieder in die internationale Gemeinschaft aufgenommen worden. Die Schweiz trat zu den beiden ersten Länderspielen nach dem Zweiten Weltkrieg gegen Deutschland an, verlor in Stuttgart (0:1) und in Zürich (2:3). Das zweite Land, das die Einladung des Deutschen Verbandes annahm, war die Türkei.

Türkische Schlachtenbummler mussten schon aus Istanbul anreisen, um das für sie historische Spiel im Berliner Olympiastadion am 17. Juni 1951 mitzuerleben. Es waren ganz wenige Türken unter den 90.000 Zuschauern, die den überraschenden 2:1-Sieg feierten. Der Rest wurde via Radio in Istanbul Ohrenzeuge der Geburt des ersten türkischen Fußballhelden, der die Deutschen zur Verzweiflung brachte: Seren Turgay, der gerade mal 19 Jahre alte Torwart von Galatasaray.

Damals hätte es schon Orwell'scher Visionen bedurft, um sich vorzustellen, dass fast 60 Jahre später in Deutschland geborene Türken in Berlin vor 40.000 erwarteten türkischen Fans gegeneinander in der EM-Qualifikation spielen würden. Die Protagonisten der dritten in Deutschland geborenen Migrantengeneration mussten sich vor dem Spiel am Freitag (20.45 Uhr, ZDF live) mehr gesellschaftspolitischen als fußballspezifischen Fragen stellen. Hier Nuri Sahin (22) von Dortmund, der mit 16 Jahren in seinem ersten Länderspiel für die Türkei 2005 in Istanbul das 2:1-Siegtor gegen die Deutschen schoss. Dort Mesut Özil (21), mittlerweile bei Real Madrid, der mit seinem WM-Tor gegen Ghana erst den deutschen Erfolg in Südafrika ermöglichte.

Paradebeispiel

Nach seinem Weg durch alle DFB-Nachwuchsteams "kam für mich keine andere Nation infrage", betont Özil und fühlt sich als Paradebeispiel für gelungene Integration. "Viele Jugendliche sehen mich als Vorbild." Sahin begann seine Karriere in der türkischen U-15. Es hätte "nicht gepasst", wenn er sich dann für Deutschland entschieden hätte. "Aber meine Leistung stünde viel mehr in der Öffentlichkeit, würde ich für Deutschland spielen."

Für Hamit Altintop (27), wie sein Zwillingsbruder Halil (Frankfurt) in Gelsenkirchen geboren, habe die Wahl eines Landes "nichts mit Integration zu tun", wie der Bayern-Profi sagte. Als deutscher Nationalspieler habe Özil "mehr Lobby, einen höheren Marktwert, er verdient mehr Geld. Hätte er sich für die Türkei entschieden, hätte er keine WM gespielt und wäre jetzt nicht bei Real. So einfach ist das." Er respektiere Özils Weg. "Aber unterstützen kann ich ihn nicht."