Für die Schweizer "Nati" geht es nach der 2:5-Pleite gegen Frankreich heute im letzten Gruppenspiel gegen Honduras um alles. Teamchef Ottmar Hitzfeld spricht über die Aussichten, die Probleme mit Manaus und seine nahende Trainerpension. Nach der WM hört der deutsche Erfolgscoach auf.

Wie schätzen Sie die sportlichen Perspektiven ein?
OTTMAR HITZFELD: Unser Ziel ist klar der Aufstieg. Was dann kommt, lässt sich nur schwer vorhersehen.

Sie haben aber zuletzt auch immer wieder Kritik geübt?
HITZFELD: Sie meinen meine kritischen Aussagen, weil man ausgerechnet in Manaus spielen muss. Noch dazu um eine Uhrzeit, die nicht normal ist. Dieses feucht-tropische Klima wird alles nur noch schwieriger machen. Das ergibt sportlich keinen Sinn. Das ist eine Zumutung. Wir müssen gegen Honduras, wo es um den Einzug ins Achtelfinale geht, ausgerechnet bei 95 Prozent Luftfeuchtigkeit spielen. Und das um 13 Uhr Ortszeit.

Das sind heftige Worte - die sich gegen die FIFA richten?
HITZFELD: Nein, das Stadion hat ja nicht die FIFA in den Dschungel gestellt. Das waren schon die Brasilianer.

Aber die FIFA hat die WM 2022 an Katar vergeben.
HITZFELD: Auch das habe ich schon kommentiert. Dort im Sommer bei 45 Grad zu spielen, das ist sinnlos. Das ist eine kleine Katastrophe. Das Geld wird da eine Rolle gespielt haben, ich gehe aber davon aus, dass im Sommer nicht gespielt wird. Oder es wird alles doch noch in ein anderes Land verlegt. Ich denke, nach Brasilien wird man noch einmal über das ganze Thema diskutieren.

Der Weltverband wandelt also auf Ab- bzw. Irrwegen?
HITZFELD: Nein, so würde ich das nicht sagen. Was dieser Verband einspielt, das darf man nicht vergessen. Weltmeisterschaften haben schon viel Gutes.

Zurück zur Gegenwart. Mit Brasilien assoziieren sie was?
HITZFELD: Begeisterung. Die WM ist ein absolutes Highlight. Das ist ein Land, das zu feiern versteht. Für mich ist ja Brasilien immer das Mutterland des Fußballs gewesen. Sorry, England. Da werden Fußballer wie am Fließband "produziert", gut 1000 Spieler verdienen ihr Geld im Ausland. Da gibt es Talente, das ist Wahnsinn. Und es sind sicher noch immer nicht alle entdeckt worden. Ein riesiges Potenzial und Reservoir. Das ist hier ein richtiger Exportzweig.

Die Schweizer haben aber auch viele Legionäre.
HITZFELD: Ja, allein neun Spieler stehen in der deutschen Bundesliga unter Vertrag. Aber keine Vergleiche mit Brasilien bitte.

Brasilien ist kein guter Boden für Europäer. Wird es so bleiben?
HITZFELD: Sagen wir so: Es ist kein Zufall, dass hier noch kein Europäer gewonnen hat. Da steckt schon ein Funken Wahrheit drinnen. Haben Sie den Konföderationen-Cup gesehen? Da gab es Spieler, die haben sich mit Krämpfen auf dem Platz gewunden. Das gibt es in Europa auf diesem Niveau nicht mehr. Neben dem Klima kommt das ganze Reisen dazu. Das ist ein Handicap.

Es spricht alles für Brasilien?
HITZFELD: Sie sind die Favoriten. Und ich erwarte die Brasilianer auch im Finale. Aber ich bin auch Deutscher. Daher gehört Deutschland für mich auch zu den Favoriten. Wie Argentinien. Oder vielleicht auch Belgien. Wieso hören Sie nach der WM auf? HITZFELD: Die Schweizer wollten den Vertrag mit mir bis zur Euro 2016 verlängern. Während der WM-Qualifikation habe ich mir gesagt: Ich höre auf. Bekannt gegeben habe ich es dann nach dem letzten Quali-Match. Es geht irgendwann auch um die Gesundheit. Und ich glaube, man soll aufhören, wenn es noch Spaß macht.

Wird die Schweiz auch in Zukunft erfolgreich sein?
HITZFELD: Ich hinterlasse eine intakte Mannschaft. Wir haben viele junge Spieler, auf einem sehr hohen Niveau, aber auch sehr gute ältere. Die Mischung stimmt. Ich verlasse kein sinkendes Schiff.

Was sagen Sie zu Österreichs Team mit Marcel Koller?
HITZFELD: Marcel Koller war ein Spieler von mir, er war mein Kapitän. Er hat schon als Spieler wie ein Trainer gedacht. Er war der Kopf der Mannschaft. Ein akribischer Arbeiter und ein Psychologe mit einem guten Charakter. Ich wünsche ihm viel Glück.