Groß war die Hoffnung am Kap, als Südafrika im Mai 2004 vom Weltfußballverband FIFA den Zuschlag für die WM 2010 erhielt. Viele seiner Menschen waren damals fest davon überzeugt, dass auf das politische Wunder der friedlichen Überwindung der Apartheid nun auch der ersehnte wirtschaftliche Aufbruch folgen würde.

Umso heftiger war der Kater, der Südafrika gleich im Anschluss an die WM plagte - und der bis heute fast unvermindert anhält. Statt des erhofften Wachstumsaufschwungs erschütterten nur vier Wochen nach dem Turnier erbitterte Streiks das Land - und verunsicherten Anleger wie Touristen gleichermaßen.

Keine Impulse

Echte Impulse für einen wirtschaftlichen Aufschwung hat die WM kaum beschert: Mit einem für dieses Jahr projizierten Wachstum von weniger als zwei Prozent ist das Land meilenweit von jenen sieben Prozent entfernt, die es zum Abbau seiner hohen Arbeitslosigkeit von inoffiziell fast 40 Prozent eigentlich braucht. Immerhin konnten im Zuge der WM-Vorbereitungen Teile der im Niedergang begriffenen Infrastruktur modernisiert werden: Neben einem insgesamt noch recht soliden Straßennetz besitzt Südafrika nun moderne Flughäfen, neue Hotels sowie ein weiter ausgebautes, allerdings noch deutlich hinter internationalen Ansprüchen zurückgebliebenes Nahverkehrssystem.

Reich sind die allermeisten Südafrikaner durch das Turnier gewiss nicht geworden. Dies blieb der FIFA und ihren Granden vorbehalten.

Viele Kritiker monieren deshalb auch, dass sich der Staat hoch verschulden musste, um etwa die fünf neuen Stadien finanzieren zu können. Das Geld für die WM wäre aus dem Budget für Schulen und Hospitäler abgezweigt worden, heißt es bitter. "Eine Fußball-WM ist bestimmt eine wunderbare Sache, wenn sich ein Land so etwas leisten kann", sagt der deutsche Pfarrer Otto Kohlstock, Leiter eines Ausbildungs- und Schulzentrums im Kapstädter Township Philippi. Doch in Südafrika lebt mehr als die Hälfte der 40 Millionen Schwarzen noch immer unter oder nahe der Armutsgrenze. Nur knapp vier Millionen zählen zum Mittelstand. Daran hat das sportliche Großereignis insgesamt wenig geändert.

Hohe Stadion-Mieten

Der Fußball kann in Südafrika zudem die meisten seiner modernen, neuen Stadien nach der WM nicht annähernd füllen. Selbst in der Küstenmetropole Kapstadt, wo man dies eigentlich erwarten dürfte, ist dies nicht der Fall: Bei einer Miete von rund 50.000 Euro pro Spiel ist eine regelmäßige Nutzung des neu gebauten WM-Stadions in Green Point durch einen der drei Kapstädter Klubs nicht möglich. Wegen der hohen Instandhaltungskosten war in Kapstadt absurderweise für einige Zeit sogar von einem Abriss der 450 Millionen teuren Spielstätte die Rede. Seit der Fertigstellung stehen Einnahmen von etwas mehr als zehn Millionen hohen Betriebskosten von mehr als 40 Millionen Euro gegenüber, die der Steuerzahler trägt. Inzwischen hat die Stadt eine Ausschreibung über die weitere Nutzung der Sportstätte begonnen.

Auch anderswo im Land werden die Spielstätten vier Jahre nach dem Turnier noch immer völlig unzureichend genutzt, obwohl Neubau oder Modernisierung insgesamt mehr als 1,5 Milliarden Euro verschlungen haben. Das Stadion von Nelspruit nahe dem Krüger-Nationalpark symbolisiert besonders gut, wie kurzfristig einst geplant wurde: Mehr als 100 Millionen Euro verschlang der Bau der 40.000-Zuschauer-Arena - in einer Gegend, wo Fußball traditionell nie eine Rolle gespielt hat. Ähnliches gilt für die Küstenstadt Port Elizabeth mit ihrem neuen Stadion. Nutznießer waren hier wie dort fast nur eitle Lokalpolitiker, die sich zum Teil schamlos an dem Bau des Stadions und der Verteilung von Aufträgen bereichert haben.

Einen positiven Effekt hat die WM aber dennoch gehabt: Die von vielen kaum erwartete pünktliche Fertigstellung aller geplanten Stadien, Straßen und Flughäfen hat den Menschen am Kap verdeutlicht, zu welchen Leistungen das Land imstande wäre, wenn der Druck von außen nur groß genug ist - und die träge und zumeist mit sich selbst beschäftigte Regierung, anders als sonst, öfter mit dem ausgesprochen effizienten und dynamischen Privatsektor am Kap kooperieren würde.

WM-Lehre

Während etwa die hochmoderne Arena in Kapstadt in nur drei Jahren noch vor Plan aus dem Boden gestampft wurde, wartet ein zum gleichen Zeitpunkt begonnenes staatliches Bauprojekt für ärmere Südafrikaner vier Jahre nach der WM noch immer auf seine Fertigstellung, "Der gleiche Druck wie bei WM-Projekten müsste auch zur Bewältigung der immensen sozialen Probleme ausgeübt werden", sagt Südafrikas Oppositionschefin Helen Zille. Wenn Südafrika nur diese eine Lehre aus seiner WM-Ausrichtung ziehen würde, wäre das Turnier am Ende sein vieles Geld vielleicht doch wert gewesen.