Haben Sie nach dem teuersten Spielerkauf in der Vereinsgeschichte von Borussia Dortmund jetzt alles unter Dach und Fach?
HANS-JOACHIM WATZKE: Was wir da in den letzten Tagen mit Henrich Mchitarjan auf die Beine gestellt haben, war einigermaßen schwierig. Die Ukraine ist kein einfaches Umfeld. Jetzt sind wir froh, dass wir es geschafft haben.

Können Sie die Namen von Ihren Neuzugängen Aubameyang und Mchitarjan schon aussprechen?
WATZKE: Ja, klar.

Sie haben das Transfervolumen immer mit 50 Millionen Euro limitiert...
WATZKE: Nicht limitiert, das war die angestrebte Obergrenze.

Ist das Limit jetzt ausgeschöpft?
WATZKE: Weitgehend, aber nicht ganz. Es geht nicht darum, wie viel Geld wir haben. Das Thema ist: Was macht Sinn? Was entsprciht unserer Philosophie? Was passt zu Borussia Dortmund?

Wollen Sie noch einen jungen Verteidiger holen?
WATZKE: Nein, wir wollen noch einen offensiven Perspektivspieler verpflichten.

Perspektivspieler?
WATZKE: Einen kreativen, also einen jungen Spieler, der noch Potenzial nach vorne hat. So ist der Plan.

Der Abgang von Jungstar Mario Götze hat Dortmund zutiefst getroffen. Streng genommen ist Götze gebürtiger Bayer. Musste man damit nicht rechnen?
WATZKE: Gebürtiger Bayer ist natürlich arg übertrieben. Er ist in Bayern geboren, aber mit sieben Jahren nach Dortmund gekommen und hat dann bei uns von der U9 oder U10 an alle Mannschaften durchlaufen. Er lebt seit 15 Jahren in Dortmund. Es hat uns nicht in der Art getroffen, dass wir gesagt hätten, wir geben jetzt das Fußballspielen auf, aber wir waren anfangs persönlich sehr getroffen. Wir sind einfach nicht davon ausgegangen, dass er dieses Jahr wechselt. Wir hatten auch unsere Indikatoren, warum wir das nicht geglaubt haben. Und wenn jemand so viele Jahre zur Familie gehört, der dann auf einmal weg ist, dann ist das nicht so leicht. Wenn man bei einem Spieler denkt "Gut, dass er weg ist!", dann ist etwas falsch gelaufen. Es ist aber nicht so, dass wir jetzt auf einmal keine Ideen oder Perspektiven mehr gehabt hätten. Wir wussten relativ schnell danach – man braucht natürlich zwei, drei Wochen, um sich zu sortieren und Informationen zu besorgen - und dann ist's auch wieder gut. Wobei, wenn man weiß, dass ein Spieler geht, kann man sich diese Informationen eben schon früher besorgen – wir wollten Henrikh Mkhitaryan.

Den Sie am Montag endgültig für viel Geld bekommen haben.
WATZKE: Und bis zuletzt haben alle an einem Strang gezogen. Das ist ja die Stärke von Borussia Dortmund. Wir wissen, was wir wollen, auch wenn manch ein Außenstehender das in diesem Sommer nicht so sah und man uns plötzlich unterstellte, wir hätten kein Konzept. Worüber wir uns intern etwas amüsiert haben, aber wir konnten ja nichts sagen.

Müssen Sie die Linie Ihrer finanziellen Erfolgsstrategie, junge Spieler günstig als Rohdiamanten zu holen und sie später teuer zu verkaufen, jetzt verlassen?
WATZKE: Henrikh ist 24. Das ist bei Fussballern eher noch ein jüngerer als ein älterer Spieler.

Aber immerhin der teuerste Einkauf.
WATZKE: Es geht nicht um teuren Einkauf. Marco Reus hat auch 17 Millionen Euro gekostet. Das ist nicht das entscheidende Thema. Ich habe gesagt, dass wir überwiegend jüngere Spieler verpflichten wollen, die noch großes Entwicklungspotenzial haben. Ich habe nicht gesagt, dass diese billig sein müssen. Wir geben immer nur Geld aus, das wir auch haben. Das ist das einzige Limit. Wir machen keinen einzigen Euro Schulden für irgendeine sportliche Investition, aber wenn wir das Geld haben, und wenn der jeweilige Spieler diese Kriterien erfüllt, nämlich neben dem Sportlichen auch noch jünger zu sein und noch Potenzial nach oben zu haben, dann holen wir ihn vielleicht. So einfach ist das.

In Mkhitaryan setzen Sie sehr große Hoffnungen.
WATZKE: Ja, natürlich, sonst hätten wir nicht so viel Geld für ihn bezahlt. Wir haben die klare Hoffnung, eigentlich die Gewissheit, dass er uns nach vorne bringt. Aber wir geben ihm in Dortmund Zeit.

Wie sieht nach dem zwar nicht finalen, aber doch sehr großen Erfolg in der Champions League Borussias finanzielle Bilanz aus?
WATZKE: Wir haben einen neuen Umsatzrekord. Das Jahr war auch sehr ertragsstark. Die Champions League hat uns brutto knapp 70 Millionen gebracht. Mehr kann ich aus börserechtlichen Gründen noch nicht sagen.

Welche Bilanz ziehen Sie im "Fall Lewandowski"?
WATZKE: Da braucht man keine Bilanz ziehen, denn zu dem Thema ist ja alles gesagt. Er hat einen Vertrag bei Borussia Dortmund und er spielt bei Borussia Dortmund.

In einem Jahr müssen Sie Lewandowski, der mit Bayern geliebäugelt hat, ablösefrei ziehen lassen.
WATZKE: Ja, und? Sie müssen dabei immer mehrere Dinge sehen. Das ist eine ganz einfache wirtschaftliche Erwägung. Wenn wir jetzt für den Spieler einen bestimmten Betrag bekommen...

...37 Millionen, so wie bei Götze?
WATZKE: Nein, Götze hat einen langen Vertrag gehabt und Lewandowski hat ein Jahr Vertrag. Aber sagen wir einmal 25 oder 30 Millionen. Davon zahlt man Steuern und nach allen Abzügen hat man am Ende vielleicht noch 20 Millionen zur Verfügung. Wenn man jetzt aber die Aussicht hat, vielleicht mit einem Lewandowski in der Champions League wieder 50, 60 oder 70 Millionen einzunehmen, dann muss man letztendlich entscheiden, wo ist die Priorität. Ich glaube, dass wir mit Lewandowski mehr Geld erzielen werden, als wenn wir ihn transferieren.

Vor einem Jahr haben Sie mir gesagt, Borussia ist ein Experiment ohne Limit. Sehen Sie das immer noch so?
WATZKE: Wir gehen immer weiter an die Limits. Viel mehr als das Champions-League-Finale geht kaum noch. Es gibt nur eine Steigerung und die heißt: gewinnen. Aber angesichts der Tatsache, dass wir auch wissen, dass 15 oder mehr Klubs in Europa viel mehr Geld haben als wir und nur darauf warten zurückzuschlagen, haben wir nicht die Erwartung, dass wir jetzt jedes Jahr ins Halbfinale oder ins Finale der Champions League einziehen. Das wollen auch Klubs wie Manchester City oder Chelsea London, die dieses Jahr schon in der Gruppenphase ausgeschieden sind.

Wenn Sie sagen, Sie gehen nicht davon aus, noch einmal ins Champions-League-Finale einzuziehen, spricht aber wieder der Pessimist aus Ihnen, oder?
WATZKE:WATZKE: Nein, das ist realistisch, denn ich weiß, dass wir in Europa vom Gehaltsranking ungefähr an 30. Stelle stehen und da haben 29 bessere Möglichkeiten hineinzukommen. Da wieder unter den besten Zwei zu sein, ist schon extrem schwierig. Das heißt nicht, dass wir es nicht gerne hätten, aber wir sind immer mit sehr viel Realismus groß geworden.

Aber Geld spielt dann ja offenbar zum Glück nicht die entscheidende Rolle.
WATZKE:WATZKE: Nicht immer, aber sehr häufig. Der FC Porto hat zum Beispiel 2004 mit wenig Geld einmal die Champions-League sogar gewonnen, aber danach nie wieder.

Aber das Ziel muss doch sein, sich an einem Erfolgsverein wie Bayern München zu orientieren?
WATZKE: Nein, das weiß ich nicht. So viel ist Bayern München auch wieder nicht vor uns, aber es gibt in Europa Klubs, die noch deutlich mehr Möglichkeiten haben. Das Ziel muss sein, irgendwann auf "Financial Fairplay" zu hoffen, dann steigen unsere Chancen noch einmal dramatisch. Natürlich ist Bayern München wirtschaftlich ein Vorbild. Aber ich denke da eher an Klubs wie Paris, Monaco oder Chelsea London, bei denen es um ganz andere Summen geht.

Auch in Österreich gibt es immer wieder Milliardäre, die viel Geld in Klubs stecken. Das war nicht immer ein Erfolgskonzept...
WATZKE: Vielleicht verstehen die nicht genug davon. Aber ich glaube, dass Red Bull Salzburg, seitdem sich Mateschitz austobt, doch auch mehr Erfolg hat als früher.

Wo möchten Sie Borussia Dortmund mittel- und langfristig finanziell sehen?
WATZKE: Finanziell ist der Klub heute kerngesund. Ich glaube, da gibt es in Europa keine zehn Klubs, die das so von sich behaupten können. Das Schwierige ist ja der Einklang zwischen sportlicher und wirtschaftlicher Performance. Wenn man nur auf die wirtschaftliche Performance achtet, sollte man idealerweise vielleicht eine Bank aufmachen. Wenn man nur auf sportliche Performance achtet, sollte man sich irgendeinen Scheich holen. Das wollen wir auch nicht. Wir müssen die Balance hinkriegen und für uns ist wichtig, keine sportlichen Investitionen auf Kredit zu tätigen. Wir wollen bis 2020 der zweite Leuchtturm des deutschen Fußballs sein und zwar nicht nur für zwei Jahre. Leuchttürme haben die Eigenschaft, viele, viele Jahre zu überdauern. Das ist unser Ziel.

Sind Sie das nicht schon längst?
WATZKE: Das sind Momentaufnahmen, aber richtig sind wir es, wenn wir es zehn Jahre sind. Das ist die große Klasse der Bayern, dass sie das schon über Jahrzehnte geschafft haben.

Zum Fall Uli Hoeneß entlocke ich Ihnen nichts?
WATZKE: Gar nichts.