Nachdem das Meisterstück vollbracht war, ließ Peter Stöger am Mittwochabend seinen Emotionen freien Lauf. Unter der violett-weißen Brille, die im Klub-Museum landen wird, kullerten beim Fußball-Erfolgscoach der Austria die Freudentränen, die aber von einer der unzähligen Bierduschen rasch weggeschwemmt wurden. Danach sprach der 47-Jährige u.a. über seine Gefühle, die Erfolgsfaktoren, die Saison-Schlüsselmomente und Austrias "Deppenarzt".

Was ging bei der Übergabe des Meistertellers auf dem "Balkon" der Südtribüne in Ihnen vor?
PETER STÖGER: Man sagt solche Worte schnell einmal, aber in diesem Fall ist es wirklich so: Das war sportlich gesehen mein schönster Tag. Wir haben uns für eine überragende Saison gekrönt, wir haben den Uraltpunkterekord von Sturm Graz (81 Punkte aus der Saison 1997/98, Anm.) überboten. Es ist schlichtweg unglaublich. Ich bin seit über zehn Jahren als Spieler, Sportdirektor oder Trainer bei diesem Verein, aber mir wurde noch nie in meinem Leben so viel Sympathie von Fans und von einer Mannschaft entgegengebracht.

Haben Sie überhaupt zu träumen gewagt, dass Ihre Mannschaft im "Finale" gegen Mattersburg so einen furiosen Start hinlegt?
STÖGER: Wir wollten unseren Fans von der ersten Minute an zeigen, dass wir nicht auf ein Ballgeschiebe aus sind. Wir haben gesagt, dass wir auf den Sieg und den Punkterekord aus sind. Und das haben die Spieler eindrucksvoll bewiesen.

Hat es die berühmten Schlüsselmomente in dieser Saison gegeben?
STÖGER: Die Mannschaft hat die wenigen schwierigen Situationen bravourös gemeistert. Zum Beispiel schon in der 3. Runde das Derby gegen Rapid, bei einer Niederlage hätte Rapid neun und wir drei Punkte gehabt. Da hätte es dann von den Fans geheißen: 'Eh klar, wir holen uns einen Trainer aus Wiener Neustadt, der dort 17 Mal 0:0 spielt, was habt ihr euch von dem anderes erwartet?' Da hätte die Stimmung kippen können. Ab da habe ich gewusst, dass die Mannschaft belastbar ist, dass sie etwas umsetzen kann.

Am Ende ist es dann noch einmal relativ knapp geworden, hattet Ihr Angst, dass da noch die Felle davonschwimmen könnten?
STÖGER: Wir wurden runtergezählt, von 13 auf 6. Nach dem Sieg in der Südstadt gegen die Admira (28. April, 2:0, Anm.) bin ich dann in die Offensive gegangen und habe unösterreichisch klargestellt, dass wir Meister werden. In dem Wissen, dass ich als Führungskraft der Mannschaft in der Öffentlichkeit Vertrauen geben muss. Und die Mannschaft hat unösterreichisch reagiert und das Ding durchgezogen.

Ist es eine besondere Genugtuung, einen scheinbar übermächtigen Rivalen wie Salzburg besiegt zu haben?
STÖGER: Wir haben uns alles hart erarbeiten müssen. Wir sind auf einen unglaublich starken Konkurrenten getroffen, die Salzburger haben uns alles abverlangt, wir haben uns einen außerordentlichen Fight geliefert. Salzburg hat nicht geschwächelt und wir sind trotzdem Meister geworden, das ist eine echte Auszeichnung.

Die Austria hat es vor einem Jahr nicht einmal in den Europacup geschafft, jetzt ist sie Meister. Wie wurde das möglich?
STÖGER: Die meisten dieser Spieler haben sich vor ziemlich genau einem Jahr anhören müssen, dass sie nicht qualifiziert genug sind, das Trikot von einem Verein wie Austria Wien zu tragen. Jetzt sind sie Meister und haben die Chance aufs erste Austria-Double seit 2006. Ich habe noch nie mit einer Mannschaft gearbeitet, die so eisern und so diszipliniert für einen Erfolg gearbeitet hat. Die Truppe hat einen unglaublichen Entwicklungsprozess durchgemacht und sehr viele Sachen als Mannschaft gelernt. Sie hat einen unbändigen Willen. Das macht mich unheimlich stolz und glücklich.

Wem gilt in der Stunde des Triumphes Ihr besonderer Dank?
STÖGER: Ohne mein Trainerteam würde ich nicht annähernd so im Rampenlicht stehen dürfen. Es ist eine kleine, feine, hoch qualifizierte Gruppe, die mich mehr als unterstützt. Danke an Konditrainer Martin Mayer, Tormanncoach Franz Gruber und Co-Trainer Manfred Schmid, der mehr als meine rechte Hand ist. Und ich möchte mich auch erstmals öffentlich bei Werner Zöchling (Soziologe aus Steyr, Anm.) bedanken, den wir vor einem Jahr für die Teamentwicklung dazugenommen haben. Und nicht zuletzt Danke an die medizinische Abteilung. Jeder wird festgestellt haben, dass wir kaum Verletzungen gehabt haben.

In welcher Form und wie intensiv wurde mit Werner Zöchling gearbeitet?
STÖGER: Wir haben bewusst gewartet, bis wir den letzten Schritt gemacht haben, um das zu kommunizieren. Denn im österreichischen Fußball ist dieses Thema noch nicht so verankert. Da glauben einige, dass ein Deppenarzt bei uns durchs Haus marschiert. Wir haben mit ihm unsere Ziele und Wünsche als Team zusammengefasst und laufend kontrolliert. Er ist ein wichtiger Faktor für die Mannschaft und die Spieler, die seine Arbeit in Anspruch nehmen. Und für mich als Trainer war er immer wieder wichtiger Feedbackgeber. Aber das ist kein Prozess, der in einer Saison beendet ist. Dass das nicht jedes Mal so reibungslos funktionieren wird, ist auch klar. Ich kann alle Konkurrenten beruhigen: Das wird in dieser Art und Weise wahrscheinlich nicht zu wiederholen sein. Der alte Rekord von Sturm war aus dem Jahr 1998, offensichtlich ist das also nicht jedes Jahr möglich.