In New York wird nicht über Geld gesprochen. Aber Vermögen und Besitztümer werden gerne zur Schau gestellt. Nicht aus Eitelkeit, sondern weil es einfach zum guten Ton gehört. Warum die nordamerikanische Profi-Eishockeyliga NHL vor fast acht Jahren nach Standorten in Toronto und Montreal hier ebenfalls ihre Zelte aufgeschlagen hat, beantwortet Pressemann John Dellapina mit einem schmalen Lächeln: "Aus Prestige natürlich."

Dass hier die Wege zu großen Geldgebern, die in Downtown Manhattan Tür an Tür angesiedelt sind, kurz ausfallen, muss er nicht extra erwähnen. Über fünf Stockwerke erstreckt sich das Headquarter der Liga mit etwa 450 Angestellten an der renommierten Adresse 1185 Sixth Avenue, direkt über dem NHL-Store. Was allein die monatliche Miete für die rund 15.000 Quadratmeter ausmacht, wird in New York naturgemäß nicht verraten.

Die Welt ist eine Scheibe

Wer einen Fuß in das Heiligtum der NHL setzen darf, wird augenblicklich damit konfrontiert, dass sich zwar alles um den Puck dreht, die Ausprägungen jedoch stark variieren. Eine Wand stellt alle Plaketten aus, die sich auf dem Stanley Cup befinden (inklusive Fehlprägungen). Über ein Pult gleitet ein Mini-Zamboni. Alle paar Meter sind Stöcke ausgestellt. Und das NHL-Logo erinnert an einen riesigen Eisblock.

Neben Meeting-Räumen und Büros versorgen gut ein Dutzend Schnittplätze rund um die Uhr den Markenauftritt in den sozialen Netzwerken. Zahlen gefällig? Rund 4,3 Millionen Fans verfolgen die NHL auf Facebook, weitere rund 5,2 Millionen Twitter-Follower machen die Eishockey-Liga zu einem der "Major Four" (Neben NHL zählen NBA, MLB und NFL zu den vier großen Sportligen in Nordamerika). Obwohl beispielsweise die American Football-Liga NFL via Facebook und Twitter rund 36 Millionen Fans generieren kann.

Gibt es eine Vision, die Marke zu festigen und eventuell Boden auf die anderen Ligen gutzumachen? "Die Reihenfolge ist uns egal. Auch den Eishockey-Fan kümmert das herzlich wenig. Wir versuchen jedoch, ihm alles bieten zu können. Es gibt aber mit den anderen Ligen keinen Wettbewerb", stellt Dellapina klar. Speziell, weil Vergleiche hinken. Baseball wird im  Sommer über gespielt und Football hat nicht so einen intensiven Spielplan wie die NHL. "Und mit der NBA arbeiten wir eng zusammen", fügt der NHL-Mann hinzu. Das würde auch die Nähe zum NBA-Store nur zwei Blocks entfernt erklären.

Jede Situation im Überblick

 Erst am Abend gibt es Bewegtbilder auf unzähligen Flatscreens im Situation Room
Erst am Abend gibt es Bewegtbilder auf unzähligen Flatscreens im Situation Room © Quendler

Das Herzstück der NHL-Basis bildet jedoch der sogenannte "Situation-Room". Irgendwie gleicht er seinem Namensgeber im Weißen Haus, wo der US-Präsident samt Entourage militärische Operationen verfolgen kann. Keine Fenster, viel Beton und unzählige Flachbildschirme mit bester Auflösung. Es ist die etwas kleinere Version zu jenem NHL-Situation Room, der in Toronto angesiedelt ist. "Dort werden Hockey Operations unter die Lupe genommen. Oder kurz gesagt: Toronto entscheidet über Tor oder kein Tor."

In New York steht hingegen die Disziplin auf dem Eis an oberster Stelle. Die Abteilung des "NHL Player Safety" hat hier ihren Sitz. Einer der Supervisors ist ausgerechnet Ex-Spieler Chris Pronger, der in seiner aktiven Karriere über 1900 Strafminuten gesammelt hat. "Er wohnt aber in St. Louis und erhält die Videosequenzen per Mail. Pronger und andere Komitee-Mitglieder entscheiden, ob Foul oder nicht und bei einem Vergehen, wie hoch die Sperre ausfallen soll. Dann erfolgt ein Interview mit dem  General Manager des Klubs, bei dem der Spieler tätig ist sowie ein anschließendes Hearing mit dem Spieler selbst", erklärt Dellapina das Prozedere. An diesem Tag steht die schmutzige Attacke von Dallas-Spieler Cody Eakin an Rangers-Goalie Henrik Lundqvist auf der Tagesordnung.

Zu den maximal acht Personen, die jeweils ein Spiel überwachen, gesellen sich noch sogenannte "Central Spotter". Sie beobachten, ob es nach Aktionen auf dem Eis bei Spielern Anzeichen von Gehirnerschütterungen gibt. Kostenpunkt für die Einsatzzentrale mit Echtzeit-Übertragung? "Kein Kommentar."

In Toronto befindet sich ebenfalls ein Situation Room. Dort wird über Tore entschieden, in New York steht die Sicherheit der Spieler im Fokus
In Toronto befindet sich ebenfalls ein Situation Room. Dort wird über Tore entschieden, in New York steht die Sicherheit der Spieler im Fokus © Quendler

Eigene Ziele stets vor Augen

Die NHL beschäftigt sich derzeit nicht nur mit solchen Spieldetails. Kommende Saison beschäftigt die Liga die Expansion nach Las Vegas. Dass es patentrechtliche Probleme mit dem Franchise-Namen Vegas Golden Knights gibt, scheint in der Sixth Avenue kein großes Thema. "Es gibt unzählige Teams mit ähnlichen Namen. Ich will nicht wissen, wer sich aller Tigers nennt", winkt Dellapina ab.

Einen weiteren großen Punkt liefert der Plan von NHL-Saisoneröffnungen in Europa, die für 2017 und 2018 angedacht sind. "Es ist aber kompliziert. Die Teams haben eine längere Anreise, Jetlag und wirbeln damit den Spielplan durcheinander. Von den Schwierigkeiten hinsichtlich Ticketeinnahmen ganz zu schweigen", zählt der frühere New Yorker Journalist offene Punkte auf. Wenig verwunderlich: Jedes einzelne Heimspiel bringt für jeden Klub Millionen-Umsatz.

Auch was die mögliche bevorstehenden Beschlüsse mit IIHF (Internationaler Eishockey Verband) hinsichtlich Olympia 2018 betrifft, hält man sich bei der NHL eher bedeckt. "Eine gefährliche Unterhaltung", kommentiert Dellapina knapp, "im Gegensatz zu anderen Sportarten trifft Olympia die NHL mitten in der Saison." Geklärt werden, ob die NHL-Teilnahme fortgesetzt wird, was Commissioner Gary Bettman 1998 mit der ersten NHL-Pause während Olympischer Spiele initiiert hatte, soll alles im Jänner.

Visionen und Pläne

Für Aufsehen könnten zukünftig jedoch regeltechnische Neuerungen sorgen, die Dellapina erwähnt. "Wir sind stets darauf bedacht, das Spiel attraktiver zu machen", erklärt er. Die Idee mit einem dritten bzw. einem einzigen Bully-Kreis in Angriffs-/Verteidigungszone wurde vorerst auf Eis gelegt. Das Powerplay könnte jedoch zusätzliche Brisanz erfahren. Derzeit gibt es keinen unerlaubten Weitschuss, wenn sich die nummerisch unterlegene Mannschaft mit einem Schuss in die gegnerische Zone befreit. "Das ist doch ein Vorteil gegenüber gleicher Spieleranzahl auf dem Eis", meint der NHL-Mann.

Eine Annäherung zum IIHF-Regelbuch schließt Dellapina so gut wie aus. "Wir haben eine kleinere Eisfläche, spielen quasi ein anderes Eishockey. Unser Spiel ist körperbetonter, in Europa liegt der Fokus auf dem Eislaufen. Viele Regeln werden von der IIHF viel zu streng ausgelegt. Sobald bei Checks der Kopf im Spiel ist, greift das IIHF-Regelwerk rigoros durch. Wir sind ebenfalls klar gegen Vergehen gegen den Kopf, eine Eigenverantwortung der Spieler darf aber nicht unter den Tisch gekehrt werden."

Solche Punkte unterstreichen, dass die NHL wohl niemals zum lapidaren Tagesgeschäft werden kann. Das beweisen auch neueste Umsiedlungs-Pläne des NHL-Headquarters in Richtung Madison Square Garden und Pennsylvania Station. Weg von der edleren, prestigeträchtigen Gegend Midtowns in ein eher bewegteres Umfeld, allerdings nicht minder Glamourös. Und vor allem näher an die Geldquellen Downtowns. Der "One Manhattan West"-Tower, wo sich die NHL einmieten soll, gilt als Luxusobjekt. Gegenüber Reuters erklärte Bettman, dass die Entwicklung und das Business eine "State-of-the-art"-Einrichtung benötige.

Kanada mag nun zwar das Mutterland des Eishockeys sein, die Fäden werden aber von New York aus gezogen.