Rotgekleidete Gestalten bewegten sich schon lange vor Spielbeginn zur und rund um die Stadthalle Klagenfurt. Ihr Gang war entschlossen und wirkte fast so aufgeregt, wie vor einem Rendezvous mit der großen Liebe, die man lange nicht zu Gesicht bekommen hatte. Um Liebe für die KAC-Mannschaft bat etwa Hallensprecher Joschi Peharz.
Und die Stimmung auf den Rängen? "Ich habe fast ein Jahr gewartet, diese Stufen hinaufzugehen", entfuhr es einem jungen Fan gegenüber seiner Begleiterin. Wie immer kamen die Fans erst spät in die Halle. Rund 1900 wollten endlich wieder ihre Rotjacken beim Eishockey-Spielen live zusehen. Eine frenetisch wie herzliche Begrüßung wurde den Meister-Cracks zuteil.
Im Rahmen des Champions Hockey League-Duells gegen Rouen wurden erstmals seit fast einem Jahr wieder die Tore geöffnet, niemand blieb ausgesperrt. Sogar zwei französische Schlachtenbummler verirrten sich nach Klagenfurt. Der KAC startete etwas verhalten, vielleicht sogar nervös. Statt beißender Stille herrschte plötzlich tosender Lärm. Fangesänge und Trommelwirbel blieben ja im Meisterjahr aus. Und so kam Rouen, wie man es auch von Frankreich bei Weltmeisterschaften kennt, überfallsartig aus der Kabine, pfefferte aus vollen Rohren auf das Rotjackengehäuse, schickte drei Stürmer in den Forecheck - kurz: die Gäste präsentierten sich giftig und bissig. Nach überstandener Unterzahl gleich zu Beginn, praktisch aus dem Nichts gelang dem KAC das 1:0. Kapitän Manuel Ganahl fing vor dem gegnerischen Tor einen Pass ab und drückte direkt ab.
Perfekter Einstand
Das Tor wirkte wie ein Büchsenöffner. Rollende Angriffe der Rotjacken wurden lediglich von Rouen-Schlussmann Matija Pintaric vereitelt. Egal, ob bei 5:5 oder bei KAC-Powerplay, das besonders im ersten Abschnitt flüssig vorgetragen worden ist. Verteidiger-Neuzugang Philip Bruggisser fügte sich nahtlos ein und ließ seine schnelle Auffassungsgabe, Zweikampfstärke, körperlicher Präsenz und Schussqualität aufblitzen. Und hinten zeigte Sebastian Dahm, warum er vergangene Saison die Lebensversicherung des KAC gewesen ist. Knapp vor Drittelende war er beim Ausgleich, der sich irgendwie angekündigt hatte, allerdings machtlos.
Überraschend offen präsentierte sich der Mittelabschnitt. Einerseits, weil es dem KAC nicht gelungen war, aus seiner Vielzahl an Sitzern Kapital zu schlagen (auch wegen starker Pintaric-Paraden) und andererseits, weil die Defensivarbeit der Klagenfurter nicht mit vollster Konsequenz ausgeführt worden ist.
Immerhin erregte die Partie auch internationales Interesse. Sloweniens Teamchef Matjaz Kopitar stattet bekanntlich der heimischen Liga öfters Besuche ab. Dieses Mal jedoch in seiner Rolle als Pro-Scout von NHL-Klub Los Angeles Kings, wo er seit vier Jahren für den europäischen Spielermarkt im Allgemeinen, und Schweiz, Deutschland, Tschechien, Finnland, Slowakei im Speziellen tätig ist. "Ich sehe mir dieses Mal das Niveau des französischen Eishockeys ein wenig an", gab sich der Papa von Sloweniens Star Anze Kopitar geheimnisvoll. Ob vielleicht der junge Franzose Kaylian Leborgne im Mittelpunkt seines Interesse steht? "Ja, aber idealerweise sollte er dann auch spielen. Leider wurde er nicht eingesetzt", sagt der Slowene schmunzelnd.
Der KAC versuchte die frühe Entscheidung herbeizuführen, hatte deutlich mehr Spielanteile als seine französischen Widersacher. Die fehlende Chancenauswertung erwies sich an diesem Abend sicher als das größte Manko der Hausherren. Bis Rotjacken-Scharfschütze Nick Petersen die Stadthalle erstmals 2021 so richtig zum Beben brachte. "Es war ein hart umkämpfter Sieg. Spielerisch waren wir aber überlegen. Der Sieg geht selbstverständlich in Ordnung", gab der KAC-Stürmer zu Protokoll. Wie bei einem Rendezvous kann oft unsichtbare Spannung und quälende Ungewissheit herrschen. Manchmal kommt es dann aber doch zum Happy End.