Nur wenige Österreicher haben es in die NHL geschafft. Kein Einziger jedoch vor Ihnen. Erfüllt Sie das mit Stolz?
REINHARD DIVIS: Ich lebe nicht in der Vergangenheit und zu Hause hängt kein einziges Eishockey-Bild. Die St. Louis Blues haben mir eine Videokassette von meinem ersten Spiel geschenkt, ich habe sie mir noch nie angesehen.

Ihre Erinnerung an die NHL?
DIVIS: Lustig war mein erster Einsatz. Ich war irgendwo mit dem Farmteam unterwegs. Plötzlich kam der Anruf mit dem Befehl sofort loszufliegen. Unser Zeugwart hat mir hektisch alles eingepackt. Auf dem Rollfeld in St. Louis angekommen, holte mich die Polizei aus dem Flugzeug und chauffierte mich in die Eishalle. Allerdings waren meine Beinschoner nicht in der Tasche und ich musste mir welche ausleihen. Ich hoffte, nicht spielen zu müssen. Doch Trainer Joel Quenneville wechselte mich ein. Wir spielten gegen Colorado mit Peter Forsberg und Joe Sakic. Zum Glück war unser Team so stark, dass ich nur vier Schüsse parieren musste. Danach spielte ich mit den eigenen Schützern.

Warum sind Sie bis dato der einzige heimische Goalie geblieben?
DIVIS: Keine andere Position hat eine so starke Entwicklung erlebt. So wie damals würde Wayne Gretzky heute nicht 900 Tore erzielen. Neben Material hat sich die Qualität gesteigert. Die Goalies sind nun auch größer und sicher die besten Athleten auf dem Eis. Hier den Schwerpunkt zu setzen, wurde eben verschlafen.

Zu Ihrer aktiven Zeit beinhaltete das Verhältnis zum KAC viel Konfliktpotenzial. Jetzt nicht mehr?
DIVIS: Ganz klar, ich habe polarisiert. Aber ich wollte immer gewinnen. Den Heißsporn habe ich meistens ja nur gespielt. Jetzt sehe ich beim KAC die in Österreich einzigartige Möglichkeit, Eishockey auf ein gesundes Fundament zu heben.

Inwiefern?
DIVIS: Unser Trainerstab besteht aus Spezialisten. Meine Prämisse ist, nicht nur die Kampfmannschaft zu trainieren, sondern beim Nachwuchs mitzuwirken. Die Arbeit beginnt bei den Jüngsten. Dort ist Breite notwendig.

Wie schnell kann eine Trendumkehr einsetzen?
DIVIS: In den nächsten fünf Jahren wird wenig passieren. Eher in 10 bis 15. Wenn jemand mit 14 Jahren nicht ordentlich ausgebildet worden ist, kann nur noch Schadensbegrenzung betrieben werden. Neben dem KAC haben das nur der VSV und Salzburg erkannt. Dafür braucht es jedoch bezahlte Nachwuchstrainer.

Die sich nur wenige Klubs leisten können . . .
DIVIS: Der Nachwuchsbereich ist leider ein Minusgeschäft.

Worin liegt ihre Aufgabe?
DIVIS: Spielerisches Talent reicht nicht mehr. Wir versuchen Kinder zum Profi zu erziehen. Österreichs Mentalität spielt leider eine große Rolle. Sehr oft wird nur woanders die Schuld gesucht, selten bei sich selbst. Erfolg lässt sich erzwingen, aber man muss ehrlich zu sich sein und hart arbeiten. Wenn sich jedoch Eltern in E-Mails beschweren, warum ihr Kind weniger spielt, wird es peinlich.

In der NHL spielte Reinhard Divis mit der Rückennummer 50, später mit 38. Bei seinem ersten Debüt musste der Wahl-Vorarlberger auf fremde Beinschoner zurückgreifen
In der NHL spielte Reinhard Divis mit der Rückennummer 50, später mit 38. Bei seinem ersten Debüt musste der Wahl-Vorarlberger auf fremde Beinschoner zurückgreifen © AP

Was muss sich ändern?
DIVIS: Eishockey bewegt sich in eine gute Richtung. Doch mit der Ausländerregelung sind wir die Lachnummer Europas. Überall wird reduziert, bei uns sind es jährlich mehr Imports. Der größte Fehler ist, dass bei gleicher Qualität nicht der Österreicher, sondern ein Legionär spielt. Nicht falsch verstehen: Wir brauchen Ausländer, weil wir nicht mit genug Spielermaterial gesegnet sind.

Argumentiert wird, dass der Niveauunterschied zwischen Nachwuchs und EBEL so groß ist. War das früher anders?
DIVIS: Da wurde eben mit den Jungen intensiv gearbeitet. Heute sind sie lediglich Spielberichts-Füller und nur deswegen dabei, weil Sie die Kaderpunkte nicht belasten. Nicht weil sie so gut sind. Dafür bleiben erfahrenere Dritt- oder Viert-Linien-Spieler mit Punkten auf der Strecke. Eine reine Augenauswischerei.

Welcher Österreicher könnte ein zukünftiger NHL-Spieler werden?
DIVIS: Ich drücke Thomas Raffl fest die Daumen, dass er es in Winnipeg schafft.

INTERVIEW: MARTIN QUENDLER