Ob eine Schiedsrichter-Entscheidung richtig oder falsch ist gilt als Kernfrage des Sports. Besonders, wenn es das Regelwerk schwammig und den Unparteiischen Interpretationsspielraum lässt. Im besten Fall heben sich die Fehlpfiffe im Laufe eines Spiels gegenseitig auf, sodass beide Seiten damit leben können. Im Fußball enden solche Diskussionen ziemlich rasch. Spätestens wenn sich die Referees persönlich zu Wort melden, um ihre Sicht der Dinge darzulegen. Das kann befreiend für alle sein. Thema erledigt.

Im Eishockey läuft das ein wenig anders. Den Videobeweis gab es etwa bereits, bevor die Kicker überhaupt auf die Idee gekommen sind, Fehlentscheidungen technisch zu überprüfen. Eine merkliche Unterstützung bei strittigen Entscheidungen, aber nicht immer erteilt dieser die Absolution. Fakt ist: Die Spielgeschwindigkeit, das Tempo und auch die Entscheidungsfindung liegt bei den Eishacklern um ein Vielfaches höher. Die Schiedsrichter sind nicht zu beneiden, sie können im Grunde nur verlieren. Nur ganz selten wird ihre Leistung honoriert.

Keine Auskünfte nach Pfiffen

Sie stehen sich jedoch auch selbst damit im Weg. Im Gegensatz zu den Fußball-Kollegen präsentieren sie sich wortkarg. Genauer gesagt: Ihnen wurde untersagt, sich öffentlich zu erklären. In den letzten Jahren wurde unter den Referees immer wieder der Wunsch laut, sich rechtfertigen zu dürfen, um das Image ihres Berufsstandes zu verbessern. Denn auch hier gilt: Unter den Zebra-Leibchen stecken Menschen. So aber entsteht ein Eindruck von Hochmut.

Das sind nicht die einzigen Probleme: Die Regelauslegung kann verwirrend sein. Eigentlich gibt der Internationale Eishockey-Verband (IIHF) die Richtlinien vor, die jedoch nur als Leitlinien wahrgenommen werden. Viele Ligen, darunter auch die EBEL verwendet jedoch ihr eigenes sogenanntes Case-Book. Auszug: "Die dargelegte Interpretation in diesem EBEL Casebook ersetzen in bestimmten Fällen die Regelungen des IIHF Regelbuches." In anderen Worten: Das EBEL-Eishockey ist regeltechnisch einfach komplexer als Fußball. Für die Schiedsrichter, für die Spieler, für die Trainer, für die Fans und selbstverständlich auch für die Medien.

Dünnes Eis

Das weiß man insbesondere bei körperlichen Vergehen, wie harten Checks, die beim Eishockey bekanntlich ein wichtiger Teil des Spiels sind. Aufgrund der immer höher gewordenen Geschwindigkeit, wurden Attacken jedoch zunehmend gefährlicher. Das EBEL Department of Player Safety (DOPS) hat es sich unter Federführung von Ex-NHL-Referee Lyle Seitz zum Ziel gesetzt, die Sicherheit der Spieler zu gewährleisten. Schon jetzt ist erkennbar: Zu entscheiden was regulär oder irregulär ist - ganz dünnes Eis.

Mehr zum Thema

Ein aktueller Fall zeigt die Diskrepanz, in der sich die Liga - vor allem aber die Schiedsrichter auf dem Eis ständig befinden. Patrick Harand, ein kühner Verteidiger des KAC, der für hartes Körperspiel aber keineswegs für unfaire Attacken steht, hat am 17. November beim Heimspiel gegen Innsbruck seinen Kontrahenten Christof Kromp gecheckt. Der Innsbruck-Stürmer hatte in der 40. Minute Probleme bei der Passannahme in der neutralen Zone. Harand rauschte herbei und checkte Kromp spektakulär. Der Villacher war zwar auf dem Eis gelandet, steckte die Attacke weg, war aber sofort wieder aufgestanden und beschwerte sich auch nicht. Geschichte erledigt: Kromp war unachtsam, Harand gnadenlos, Beifall für beide Cracks. Doch die Schiedsrichter deuteten sofort auf Strafe. "Behinderung" lautet in solchen Momenten die "Joker-Strafe" der Unparteiischen bei einem lupenreinen Check. Nach dem Motto: Interference geht immer.

Dem EBEL-DOPS gehört nicht nur Lyle Seitz an, sondern mit Greg Kimmerly ein weiterer nordamerikanischer Ex-Schiedsrichter, der für die Entwicklung der Referees zuständig ist. Vielleicht sind sie dadurch in einer Blase gefangen, die nur eine eindimensionale Sichtweise zulässt. Sie sind es schließlich auch so gewohnt. Beide mussten sich, wie es bei Referees üblich ist, nie öffentlich für ihre Entscheidungen auf dem Eis rechtfertigen. Und wenn heute in der EBEL Strafen oder Sperren ausgesprochen werden, entsteht der Eindruck, man suche so lange in Videoclips mit der 13. Zeitlupen-Einstellung, bis eine entsprechende Verfehlung festgestellt werden kann. In der NHL hat man vor Jahren damit begonnen, die Schiedsrichter zu verkabeln. Sie erklären in der Halle nach strittigen Tor-Situationen ihre Entscheidungen, bzw. jede Strafe. Dabei entsteht eine Kommunikationsschnittstelle zum Publikum.

Muss sich das DOPS neu aufstellen?

Vielleicht täte dem Eishockey im Land mehr Klarheit gut. Keine Auswüchse bei den Regeln, sowie eine klare Argumentationslinie von den Schiedsrichtern in Interviews nach Spielen. Damit man auch ihre Sichtweise verstehen kann. Möglicherweise würde es jedoch noch mehr nützen, wenn endlich auch Ex-Spieler dem DOPS angehören würden. Damit könnte das Spiel ein noch höheres Niveau erlangen. Denn plötzlich würden in der Regelauslegung auch die Dynamik des Spiels, sowie Entscheidungsprozesse in Millisekunden auf dem Eis einfließen.

Und für alle Beteiligten wäre ein Leitfaden hilfreich: Nämlich nicht, was alles regelwidrig ist. Sondern einer, der dokumentiert, was überhaupt noch erlaubt ist. Ohne Interpretationsmöglichkeiten, sondern mit einer verständlichen Regelung.