Es ist ein Monolog, den Ben Meisner führt. Ganz allein, scheinbar nur für sich. Dafür sind die Geschichten der „Player’s Tribune“ bekannt. Es sind Porträts, die anders zu lesen sind als jene, die sonst im Internet kursieren oder in Zeitungen gedruckt werden. Denn hier vermitteln sie stets eine im Profisport selten gewordene Art von Sensibilität. Von Menschlichkeit. Etwas, das in den ansonst oft einstudiert wirkenden Interviews verloren gegangen ist. Eine weitere Besonderheit gibt es: Auf "Player’s Tribune" schreiben nicht nur die Topstars des Sports. Sondern auch Leute wie Ben Meisner. Der schreibt: "Ich bin nicht Connor McDavid (der neue kanadische Superstar mit einem Jahressalär von 12,5 Millionen Dollar, Anm.). Zum Teufel, ich bin ja nicht einmal in der NHL. Ich bin nicht berühmt." Niemand würde von ihm Notiz nehmen, wenn er den Schritt vom Stuhl machen würde, mit einem Seil um den Hals. Aber genau vor diesem Schritt stand er – vor ein paar Jahren.

Meisner wuchs in Halifax, der Hauptstadt der Insel Nova Scotia, auf. "Entweder man wird Eishockey-Profi oder Fischer", heißt es dort. Er entschied sich für den Sport, den er über alles liebte. Und vergaß darob, sich selbst zu lieben.

In seinem Monolog erzählt Meisner ausführlich von allen Phasen der Karriere, bis hin zum Profigeschäft. "Ich hatte lange Zeit mit Depressionen, Angstgefühlen und Zwangsstörungen zu kämpfen." In Halifax, wo er nie zu den "Coolen" gehört habe. Am College, wo er Angst vor Menschenmengen entwickelte. Oder auf dem Weg ins Profigeschäft, wo er sich auf Zahlen fixierte. "Ich wusste, dass es in Nordamerika 98 Teams gab. Also exakt 196 Jobs für Torhüter – um die sich 320 Goalies stritten. Das machte mich noch ängstlicher und sogar paranoid."

Es gab Zeiten, in denen er Tag und Nacht jede Transfer-Bewegung am Kontinent verfolgte, was zu ständigen Panikattacken und Selbstzweifel führte. Er hinterfragte seine Daseinsberechtigung. "Ich war in den meisten Nächten wach, machte mir Sorgen, hatte Angstzustände und fühlte mich, als wäre ich nur wenige Zentimeter vom Tod entfernt" Aber allein die Suche nach Rat oder Hilfe wäre im Eishockey ein Stigma für die weitere Karriere. Und ein freiwilliges Pausieren würde unweigerlich zu finanziellen Einbußen führen.

Denn in den unteren Eishockey-Ligen, fern der schillernden NHL, wird beinhart kalkuliert. 500 US-Dollar verdiente Meisner bei seinen Stationen in der ECHL pro Woche – brutto. Nach allen Abzügen sowie den Gebühren für Agenten und Gewerkschaft blieben 395 Dollar übrig, Wohnung und Auto nicht inkludiert. "Als ich mich auf dem Stuhl in meiner Wohnung wiederfand, mit der Schlinge um den Hals, war ich an einem Punkt, an dem das Leben nicht lebenswert schien." Es mag paradox klingen. Aber voll von Phobien und Zweifeln war es die Angst, was ihn nach dem Schritt vom Sessel erwarten würde, die ihn vor dem Suizid bewahrte. Er entschloss sich, weiterzuleben. Vor allem entschloss sich Meisner, der 2015 nach Deutschland wechselte, professionelle Hilfe anzunehmen. Wichtig, denn nach wie vor leidet er unter depressiven Phasen. Dank der Hilfe sieht er "jeden Tag als Segen. Ohne Hilfe wäre ich tot."

Meisner hat am Ende seiner Geschichte seine Mailadresse angeführt. Und geschrieben: "Wenn du nicht sicher bist, wohin du dich wenden sollst, ich wäre glücklich, wenn ich helfen kann ..."