Herr Gilligan, wissen Sie eigentlich, dass es in Klagenfurt Menschen gibt, die bitterböse sind, dass Sie nach Graz gegangen und nicht zurück zum KAC gekommen sind?
Bill Gilligan: Meine Güte, dass ist doch schon so lange her. Ich habe aber tatsächlich immer gedacht, dass ich eines Tages gerne zurückkommen werde. Es hat auch Kontakte gegeben. Aber es hat irgendwie nicht gepasst.

Was hat Sie wieder zurück nach Österreich gezogen?
Gilligan: Wir sind der Kinder wegen eine Zeit lang heim nach Amerika. Mein Sohn war innerhalb von drei Jahren in vier Schulen, das war nicht gut. Aber schon als ich in der Schweiz war, habe ich immer gesagt, dass ich wieder in Österreich arbeiten will.

Deshalb muss man sich ja nicht gleich Graz antun?
Gilligan (lacht): Ich weiß schon, dass nicht alle der Meinung sind, dass Graz die richtige Adresse ist. Andererseits bin ich immer vorsichtig, dorthin zurück zu gehen, wo ich einmal war. Die Leute denken, es geht dort weiter, wo wir damals aufgehört haben.

Was reizt Sie denn so an Graz? Sagen wir einmal, das große Eishockey wurde hier in den letzten Jahren ja nicht gespielt?
Gilligan: Als ich zum Beispiel nach Bern gegangen bin, war die Situation dort noch schlimmer. Der Klub war fast pleite und total am Boden. Dann sind wir drei Mal Meister geworden. Eine Situation wie in Graz ist nichts Neues für mich. Ich habe Herausforderungen gerne. Ich kann Sachen machen, die in letzter Zeit nicht funktioniert haben. Doch, doch, ich bin der richtige Mann für diesen Klub.

Sie haben jedenfalls nicht den Eindruck, dass in Graz unlösbare Probleme warten?
Gilligan: Probleme gibt es immer. Auch bei Klubs, wo es von außen den Anschein hat, dass alles funktioniert. Es ist schwer, ein Team nach oben zu bringen. Aber es ist genau so schwer, es oben zu halten.

Das klingt nach keinen allzu großen Erwartungen.
Gilligan: Die Leute hier sind realistisch genug, dass es nicht von heute auf morgen klappen wird. Und dass es auch nicht ausschließlich an mir liegt.

Wo würden Sie Österreichs Eishockey derzeit im internationalen Vergleich einordnen?
Gilligan: Österreich hat Fortschritte gemacht, aber nicht weit genug nach vorne. Österreich ist noch immer mehr B- und C-Gruppe, als A-Gruppe.

Das wollen viele in diesem Land aber nicht so sehen.
Gilligan: Ich weiß. Österreich hat auch sehr gute Leute. Einen Thomas Vanek, einen Thomas Pöck. Aber das ist nicht genug. Selbst die A-Gruppe besteht aus drei Klassen. Ein Niveau von Kanada oder Russland wird niemals erreichbar sein.

Zur Meisterschaft. Was halten Sie vom Punktesystem in der österreichischen Liga?
Gilligan: Ich bin noch vorsichtig. Aber ich weiß nicht, was der Zweck dahinter ist. Ich sehe die Logik nicht. Normalerweise stellt man ein Team nach sportlichen und nach finanziellen Überlegungen zusammen. Mit dem Punktesystem ist ein dritter Faktor dazu gekommen. Wer kann beurteilen, welcher Spieler wie viele Punkte wert ist? Ich finde das Ganze fehl am Platz.

Wie sehen Sie die Ausnahmestellung von Salzburg?
Gilligan: Positiv und negativ. Wenn jemand soviel Geld investiert, bringt das dem Verein mehr Ansehen, das Eishockey wird besser verkauft. Auf der anderen Seite ist es nicht gut, wenn sich ein einziger Verein alle guten Spieler holt. Auch junge Spieler verdienen dort zu schnell zu viel Geld.

Österreichische Spieler orientieren sich nur noch am Gehaltsschema von Salzburg, sie werden dadurch unbezahlbar, gleichwertige Ausländer sind vergleichsweise billig.
Gilligan: Kein Problem. Sollen die Vereine 20 Ausländer haben, wie in Amerika. Aber nur, wenn der Unterbau stimmt. Dass der reichste Klub die besten Leute holt, ist ein Gesetz. Und wer hier nicht das Geld bekommt, das er will, geht eben ins Ausland.

Warum findet sich dann in Österreich kein wirklich funktionierendes System?
Gilligan: Weil Österreich Österreich ist und weil hier der Unterbau fehlt. Deshalb muss ich mir hier alles kaufen, was ich für den Erfolg brauche. Aber das war schon immer so. Ich habe schon vor 20 Jahren gesagt, dass hier zu viele "Austros" (eingebürgerte Austro-Kanadier, Anm.) spielen.

Werden Sie sich in Graz auch um diesen Unterbau, sprich um den Nachwuchs, kümmern?
Gilligan (lacht): Wenn ich mir die letzten Jahre anschauen, muss ich zuerst einmal schauen, dass ich am Ende der Saison noch auf meinem Platz sitze.

Differenzieren Sie zwischen Legionär und Österreicher?
Gilligan: Es zählt die Leistung. Und es zählen auch Alter und Erfahrung. Ich kann die eigenen Leute nicht forcieren, nur weil sie einheimisch und jung sind. Sie müssen auch ihre Leistung bringen.

Wohin hat sich Eishockey in den letzten zehn, zwanzig Jahren generell entwickelt?
Gilligan: Die Spieler sind besser ausgebildet, sind athletischer, es ist viel mehr Tempo dahinter. Aber das ist doch in allen Sportarten so. Schauen Sie sich Olympia und diese unglaublichen Weltrekorde an. Im Eishockey ist die Entwicklung nicht anders, nur ist sie hier nicht in Weltrekorden messbar.

Deshalb verdient in Amerika auch ein Eishockeyprofi 50 Millionen Dollar innerhalb von ein paar Jahren. Das war einmal mehr als eine halbe Milliarde Schilling. Stimmt hier die Relation zur Leistung noch?
Gilligan: Es ist natürlich zuviel. Aber es ist eben die Realität. In der Unterhaltungsbranche werden doch auch derartige Summen bezahlt. Und der Manager einer Firma verdient ebenso 20, 30 Millionen Dollar im Jahr. (hebt die Schulter und lässt sie wieder fallen) So ist das Leben.