Die Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt haben in den USA längst den Sport erreicht. Landesweit haben sich dunkelhäutige Superstars mit den Demonstranten solidarisiert. „Ich sehe und fühle jedermanns Schmerz, Empörung und Wut“, schrieb der ehemalige Basketball-Superstar Michael Jordan. Noch drastischer formulierte es eine andere NBA-Legende: „Afroamerikaner leben seit vielen Jahren in einem brennenden Gebäude und ersticken am Rauch, während die Flammen immer näher kommen“, schrieb Kareem Abdul-Jabbar. Der heute 73-Jährige engagiert sich seit Langem für „Black Lives Matter“.
Gerade in den USA, in denen der Sport als hochwirksames Patriotismus-Doping funktioniert und Superstars zu Helden und Heilsbringern gekrönt werden, die mit ihren Medaillen und Siegen den Stolz der Nation unterfüttern, haben derartige Wortmeldungen enorme Symbolkraft. Immer schon. Die stumm nach oben gestreckten, in schwarze Handschuhe gesteckten Fäuste der beiden afroamerikanischen Sprinter Tommie Smith und John Carlos bei der Siegerehrung des 200-Meter-Finales bei den Olympischen Spielen 1968 gehören zu einer der bekanntesten politischen Protestaktionen des 20. Jahrhunderts gegen die Unterdrückung der Schwarzen.
Knapp ein halbes Jahrhundert später, im August 2016, sorgte NFL-Footballer Colin Kaepernick für Aufsehen. Mit seinem demonstrativen Kniefall bei der US-Hymne wollte er gegen Rassismus und Polizeigewalt gegen Schwarze protestieren. „Ich werde nicht aufstehen und Stolz für eine Fahne demonstrieren, die für ein Land steht, das Schwarze und andere Farbige unterdrückt”, begründete er. Zahlreiche Spieler schlossen sich der Aktion an, die für Diskussionen sorgte, denn das Knien oder Sitzen bei der Hymne gilt als Respektlosigkeit. Als zuletzt Drew Brees, Quarterback der New Orleans Saints, dieses Knien kritisierte, wurde er von Teamkollegen und auch Basketball-Superstar LeBron James scharf in die Schranken gewiesen: „Du hast es nicht verstanden ...!“ Brees entschuldigte sich. Für Kaepernick gab es bislang kein Happy End: Er wurde 2017 bei den San Francisco 49ers entlassen, ein neues Team hat er bislang nicht gefunden.
Indes mehren sich die Solidarisierungsbekundungen mit den aktuellen Protesten. Einer, der sie aus nächster Nähe erlebt, ist Markus Rogan, Österreichs bis heute erfolgreichster Sommersportler. Der Ex-Schwimmer lebt heute mit Familie in Los Angeles und arbeitet als Psychotherapeut. Seine eigene Gefühlswelt beschreibt er als eine Mischung aus Angst und Verständnis.
„Man kann sich das als Weißer nicht vorstellen“, verwehrt er sich einer Analyse der schwarzen Seelenlandschaft von außen. Unter dem Eindruck der Ereignisse der letzten Tage war er vielmehr sich selbst auf der Spur. Und ist zu einer ungemütlichen Einsicht – „Ich würde es am liebsten krampfhaft leugnen“ – gelangt: „Ich würde gerne sagen können, alles, was ich erreicht habe, habe ich selbst verdient – aber es stimmt nicht, es ist absoluter Blödsinn. Ich bin da nicht der Regisseur meines Lebens“, gesteht er offen. „Es ist nicht das Ergebnis der eigenen Leistung, sondern das Glück der Hautfarbe.“ Sein Resümee: „Viele Weggabelungen meines Lebens hätten ganz woanders hingeführt, wenn ich ein Schwarzer gewesen wäre.“
Das Traurige an der aktuellen Situation sei, dass die Weißen so tun könnten, als ginge sie das alles nichts an. Vielmehr müsste man sich als Weißer aber eingestehen, dass in uns allen Vorurteile schlummern, mit denen man ehrlich umgehen müsse und nicht so tun dürfe, als gebe es sie nicht.
Klaus Höfler