Es war der letzte Tag der Spiele, an dem Karl Stoss im „Maison d‘Autriche“ seine Bilanz der Spiele zog. Eine, die wenig überraschend positiv ausfiel. Wie denn auch, wenn der Vorarlberger von einer „olympischen Lovestory in der Stadt der Liebe“ spricht? Der Präsident des Österreichischen Olympischen Komitees (ÖOC) und das Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) über ...

. . . die Spiele: Wir haben Einzigartiges erlebt, unglaubliche Spiele in außergewöhnlichen Wettkampfstätten. Die Verbindung von traditionellen Kulturstätten, die viele Geschichten erzählen, mit dem Sport zu verbinden, ist etwas Einzigartiges. Dazu die Begeisterung des Publikums in den immer übervollen Stadien, das Publikum ist mitgegangen, hat angefeuert. Chapeau an die Veranstalter. Ich persönlich habe die Sicherheitsvorkehrungen enorm gefunden, aber das geht heutzutage leider nicht mehr anders. Viele Jahre der Vorbereitung haben aber Früchte getragen, man hat gesehen, welche Kraft die Spiele haben, Menschen aus aller Welt friedvoll zusammenzubringen. Dazu waren die Einschaltquoten exzellent, in Österreich bei manchen Entscheidungen im Bereich der 12-21-Jährigen lagen sie beim Marktanteil sogar bis zu über 70 Prozent.

. . . das österreichische Team: Wir haben großartig aufgezeigt mit fünf Medaillen, zwei davon in Gold wiegen besonders schwer. Ich freue mich für den Segelsport, wieder zwei Goldmedaillen nach den Spielen in Sydney 2000. Dazu drei Bronzemedaillen und 17 Top-zehn-Platzierungen, da kann man schon zufrieden Bilanz ziehen. Aber natürlich wäre es schön gewesen, wenn die eine oder andere Top-zehn-Platzierung zu einer Medaille geworden wäre. Am meisten enttäuscht bin ich mit all jenen, die knapp an einer Medaille vorbeigeschrammt sind. Das tut schon beim Zuschauen weh. Was wir gesehen haben: „Never give up“ ist das Motto. Ob bei Lara Vadlau, die nach einem Medizinstudium zurückkehrte, oder bei Jessica Pilz, die schon so oft knapp dran war.

Endlich Bronze für Jessica Pilz, die laut Karl Stoss „schon so oft knapp dran war“
Endlich Bronze für Jessica Pilz, die laut Karl Stoss „schon so oft knapp dran war“ © GEPA pictures

... die Kritik der Alexandri-Schwestern: Ich würde ihre Reaktion als Folge der herben Enttäuschung werten. Alle drei Schwestern sind hervorragende Sportlerinnen, die sich über viele Jahre konstant an die Weltspitze gearbeitet haben. Nur ganz wenig hat auf Silber gefehlt. Ich kann aber keinen ihrer Vorwürfe unterstreichen oder selbst vorbringen. Ich war nicht dabei, die Bewertung traue ich mir nicht zu. Aber es wäre toll, wenn ihre unglaubliche Arbeit auch einmal mit Edelmetall belohnt werden würde, hoffentlich mit Gold. Wenn sie durchhalten und weitermachen. Aber der menschliche Faktor spielt auch eine Rolle bei all diesen Bewertungen. Aber vielleicht ist das eines der Felder, in dem die künstliche Intelligenz die Arbeit der Jury übernimmt.

... die sportliche Zukunft: Der Pfad stimmt ganz sicherlich, den wir in Österreich eingeschlagen haben. Es hätten auch die angepeilten bis zu zehn Medaillen werden können. Aber vergleichbare Nachbarländer haben mehr. Wir als ÖOC wollen die Olympiazentren verbessern, insbesondere die Zusammenarbeit mit den Universitäten. Die Wissenschaft, die Technik, wird immer wichtiger, das haben wir bei den Seglern gesehen, bei denen sich der Verband auch an der Weltspitze orientiert und nie im eigenen Saft brät. Was ich mir wünschen würde: Dass wir auch wieder einmal den Teamsport zu Olympia bringen, da versagen wir zur Gänze. Eines meiner Anliegen ist ein Forderungskatalog auch an die neue Bundesregierung. Der Sport darf endlich kein Anhängsel mehr sein, er muss in den Mittelpunkt.

... den Abtritt von Thomas Bach: Mit vollem Respekt und Anerkennung verfolge ich, wie er vorgeht. Er verbiegt die internen Regeln und Statuten nicht, er hält sich daran. Das ist hervorragend. Er ist am Zenit, hat alles erreicht und hat nun ganz erfolgreiche Spiele zu seinem Abschluss. Wir als IOC haben eine hervorragende finanzielle Bilanz. In der nächsten Olympiade sind 7,2 Milliarden Dollar schon garantiert, in der darauf sind es jetzt schon 6,3 Milliarden fix. Es ist der richtige Zeitpunkt, um nach 12 Jahren abzudanken. Im März wird in Griechenland die Nachfolge bestimmt, das Rennen für potenzielle Nachfolger ist eröffnet. Es wäre schön, wenn jeder Kandidat ein Konzept vorlegt. Und natürlich ist es absolut an der Zeit, an eine Frau als IOC-Präsidentin zu denken. Für mich kommt das nicht infrage, ich will möglichst lange gesund bleiben und die Zeit für mich nützen. So eine Aufgabe vereinnahmt einen vollkommen.

... die Situation im ÖOC: Auch wir wählen 2025, davor gibt es im Herbst eine Hauptversammlung auf der wir auch über neue Statuten sprechen, so wie von einigen Verbänden gewünscht. Aber auch in Österreich ist es an der Zeit, nachzudenken, Jüngere ans Ruder zu lassen, vielleicht auch eine Frau. Ein Punkt der neuen Statuten ist mit Sicherheit, dass künftig auch mehr als eine Liste zur Wahl stehen kann. An sich geht es dem ÖOC ausgezeichnet. Was Peter Mennel und sein Team mit Flo Gosch, Christoph Sieber und allen Mitarbeitern geschafft haben, ist eine außerordentlich gute Basis. Wir sind nicht mehr nur abhängig von öffentlichen Förderungen, die im Bundessportgesetz geregelt sind, aber nur noch 40 Prozent des Budgets ausmachen. Und wir haben genug Polster für die Spiele, die anstehen.