„Ich habe es als Sechsjähriger gehasst und mich oft in die Dusche geschlichen und versteckt“, verriet Kärntens Schwimm-Ass Heiko Gigler. Die Erinnerungen seiner ersten Schwimmkurse sind dementsprechend eher mittelprächtig. Ein kleiner Tritt in den Hintern seiner Eltern sei letztlich der Anstoß für seine Schwimmkarriere gewesen, „da sie, wie auch die Trainer, mein Potenzial schnell erkannt haben. Und das, obwohl ich ein Spätentwickler gewesen und erst mit 15 hochgeschossen bin“.

Auf die Frage, ob er sich bewusst war, wie knochenhart der Schwimmsport tatsächlich sein kann, verdeutlicht er: „Definitiv nicht, doch ich war schon immer der Typ, der sich voll verausgabt hat. Vor allem als Junger steckt man viel mehr weg.“ Über die Grenzen hinaus gehen, über seinen eigenen Schatten springen und sich bis zum Ende quälen, ist sein täglich Brot – gelegentliche Brechattacken am Beckenrand inklusive.

Was viele vermutlich nicht wissen – für Gigler hätte 2017 alles aus und vorbei sein können. „Mit 21 war ich kurz vor dem Aufhören. Das war eine sehr schwierige Zeit, mein Tiefpunkt in meiner bisherigen Laufbahn.“

Anime- und Bud-Spencer-Fan

Der 28-jährige Single schlug trainingsbedingt vor Jahren seine Zelte in Graz auf, doch Kärnten „is lei ans“. In Malta lebt er als sogenannter Hahn im Korb mit seiner Mama, Oma und Schwester: „Meine Mutter war es übrigens, die mich mit einem goldenen Willkommensgruß ,Europameister‘ und mit Luftballons in meinem Zimmer überrascht hat.“ Bei der EM in Belgrad schlug der Schlussschwimmer mit Bernhard Reitshammer, Valentin Bayer und Simon Bucher in der 4 x 100 m Lagen-Staffel zu und gewann sensationell Gold. „Der Augenblick beschreibt meinen schönsten, prägendsten und härtesten Moment. Ich hab’s geschafft, die Jungs stolz zu machen, der Jubel zu viert bleibt unvergessen, und die letzten 15 Meter waren extrem schmerzhaft. Zum Glück hat sich der Geist durchgesetzt“, erzählt der 1,92-Meter-Hüne, der sich als Anime- und Bud-Spencer-Fan outet: „Er war ja Schwimmer und der erste Italiener unter einer Minute über 100 Kraul, auch die Filme liebe ich.“

Während er sportlich äußerst diszipliniert und geradeaus denkt, kann ihm privat seine Ungeduld vereinzelt einen Streich spielen. Familie und Freunde können zu jeder Tages- und Nachtzeit auf ihn zählen. Um selbst den Kopf freizubekommen, genießt er die Zeit in der Natur und den Bergen oder er hört Musik – „alles außer Schlager, wobei wenn das Festl passt, geht auch das.“

„Sie ist mein neues Markenzeichen“

Ein unfreiwilliges Andenken an 2022 ist eine Narbe, die seinen Hals ziert. Er musste sich damals einer Hals-Operation unterziehen – ein Abszess sowie eine Entzündung unter dem Halsmuskel machten dem SV-Spittal-Athleten zu schaffen. „Aufgrund der ständigen Bewegungen im Wasser schaut es wild aus, davor war es nur ein ganz dünner Schnitt. Die Narbe ist mein neues Markenzeichen, so erkennt mich jeder gleich“, schmunzelt Gigler, der mit einem aktuellen Körperfettanteil von 5,9 Prozent eher im unteren Limitsegment liegt.

Wenn er seine Bahnen in der Drautalperle in Spittal schwimmt, kommen Besucher und Angestellte aus dem Schwärmen nicht mehr heraus: „Er ist ein unheimlich netter, bodenständiger Kerl. Wir verfolgen alles.“ Das ist das Stichwort, denn kommenden Dienstag hebt der Flieger in die Stadt der Liebe ab. Ein Finaleinzug mit „meinen Jungs wär gigantisch. Die Medaille ist zu hoch gegriffen, wobei viel passieren kann“, spricht der absolute Realist aus dem Kärntner. Dass er in der Einzeldisziplin das Limit um gerade einmal zwei Hundertstel verpasst hat, „war natürlich enttäuschend und ärgerlich, vor allem, weil der Anschlag damals nicht optimal gewesen ist, aber das ist so gut wie vergessen. Solche Dinge hake ich ziemlich rasch ab. Der Fokus liegt jetzt sowieso nur auf der Staffel am 3. August“.

Nach Olympia ist direkt vor der Kurzbahnsaison. In diesem Zeitraum zieht es Gigler für ein halbes Jahr zurück nach Kärnten. Zuvor gönnt sich der Leistungs-Heeressportler mit seinem Cousin einen Trip nach Chile, Patagonien und Rio de Janeiro: „Mein Onkel arbeitet und lebt seit elf Jahren dort. Da lege ich das Programm gerne in seine Hände. Für mich ist es völliges Neuland, aber ich bin schon total gespannt.“