Der Krieg in der Ukraine spielt mit. Die Fußballer auf dem Spielfeld bekommen die Gedanken an die Soldaten auf dem Schlachtfeld nicht aus den Köpfen. „Das Schlimmste ist, morgens aufzuwachen und zu lesen, dass Russland unsere Städte zerstört und unsere Menschen tötet“, sagt Taras Stepanenko (34), der Kapitän. „Da fällt es schwer, sich auf Fußball zu konzentrieren.“

 Jeden Morgen können die Spieler im Hotel „Legère“ in Wiesbaden-Taunusstein auf ihren Handys lesen, was nachts in ihrer kriegsgeplagten Heimat wieder Schreckliches passiert ist. Diese zusätzliche psychische Belastung führte offenbar zum deprimierenden Fehlstart. Mag die „Kyiv Post“ auch mit der Schlagzeile aufmuntern: „Trotz der Niederlage gegen Rumänien ist Ukraine immer noch ein Sieger bei der Euro 2024“. Wegen der extrem schwierigen Qualifikation. Die Frage bleibt:  Wird die Mannschaft diesen Ballast am Freitag in Düsseldorf gegen die Slowakei abwerfen können? Gegen die Überraschungsmannschaft von Spieltag eins, die Favorit Belgien bezwang?  Gegen den unmittelbaren Grenznachbarn mit einer russlandfreundlichen Regierung?

Klitschko: „Die Jungs hatten nur einen schlechten Tag“

„Die Jungs hatten nur einen schlechten Tag“, sagt Witali Klitschko (53) am Telefon. „Im nächsten Spiel werden sie ihren ukrainischen Kampfgeist zeigen. Wir brauchen diesen Sieg für die Stimmung der Menschen in unserem Land.“ Der Bürgermeister von Kiew und einstige Boxchampion bringt die Bedeutung des Spiels gegen die Slowakei auf den Punkt: „Wir brauchen diesen kleinen Sieg für den großen Sieg.“

Auch Wladimir Klitschko (48) setzt auf die ukrainische Nie-Aufgeben-Mentalität: „Eine einzige Niederlage verändert nicht das große, sportliche Ziel. So wie gerade im Krieg. Mit diesem starken Willen werden die ukrainischen Spieler auch gegen die Slowakei antreten.“ Der einstige Boxweltmeister im Schwergewicht hält sich zurzeit in Hamburg auf. „Ich freue mich auf dieses Spiel.“

Der Kampf gegen Putin ist ständiger Begleiter der ukrainischen Mannschaft. Im Fernsehen wurden Bilder eingeblendet, wie Soldaten an der Front das Spiel verfolgen. Die UAF (Ukrainian Association of Football) sendet patriotische Posts zum Kriegsgeschehen als Parallele zur Europameisterschaft: „Vor unserem ersten Spiel ehren wir alle Fans, die heute die Ukraine verteidigen. Wir können nur dank euch hier spielen. Ruhm der Ukraine.“  Die UAF-Ernüchterung nach dem 0:3. „Eine verdiente Niederlage im ersten Spiel. Zwei Endspiele stehen bevor.“

Begleitet von Spielstadt zu Spielstadt wird die Mannschaft von einer Art Trümmer-Tross. Drei beschädigte blau-gelbe Sitzreihen aus dem eigens für die EM 2012 errichteten Stadion „Sonyachny“ in Charkiw werden am Freitagvormittag auf dem Düsseldorfer Marktplatz zur Schau gestellt. Die Tribüne wurde im Mai 2022 von einer Rakete zerstört.

Diese ukrainische Kundgebung am letzten Montag auf dem Wittelsbacherplatz in München erinnerte an eine Wahlkampf-Veranstaltung hierzulande. Auf blau-gelben Spruchbannern stand: „Falls der letzte ukrainische Soldat fällt, wird Putin zu ihnen kommen.“ Unter der Reiterstatue von „Maximilian Churfürst von Bayern“ hielt UAF-Präsident Andriy Schewtschenko (47), der Franz Beckenbauer der Ukraine, seit über zwanzig Jahren Freund der Klitschko-Brüder, eine flammende Rede. Ihm zu Füßen lag ein großes Transparent: STOP PUTIN.