Dieser Sommer ist ein Märchen, er wurde erfunden, um uns Fußball-Kinder in die Irre zu führen. Ja, die Wettergötter gaben sich nicht einmal Mühe, ein täuschend ähnliches Abbild der Historie zu erzeugen. Also reisen wir für das Begreifen einer tatsächlich möglichen Wirklichkeit tief in die Vergangenheit. Denn das war noch ein Erlebnis, damals, hier in Deutschland, im Taumel der Weltmeisterschaft von 2006, als die Sonne ein Dauerbrenner war und sich die Menschen in permanenter Freudentrunkenheit einer unbeschwerten Ausgelassenheit hingaben.

In jenen Tagen, und das ist keine Mär, weil hier ein Zeitzeuge berichtet, fuhren die deutschen Züge nach Plan. Eine Fahrt von A nach B war vorhersehbar und selbst überfüllte Waggons starteten pünktlich, um etwa nach einem Match in Dortmund Massen von Brasilianern und Japanern an ihren Bestimmungsort zu transportieren.

Es war einmal. Zur Einhaltung fixer Termine müssen Passagiere, die den Dienst der Deutschen Bahn in Anspruch nehmen, in der Gegenwart zur angegebenen Reisedauer mindestens zwei Stunden addieren, damit die Zeitrechnung aufgeht. Die spannungsgeladenen Lautsprecher-Durchsagen an den Bahnhöfen überbieten einander in der Mitteilung von Rekord-Verzögerungen. „Der Zug hat 80 Minuten Verspätung“ ist dabei eine gute Nachricht, denn so manches Reisefieber wird im Keim erstickt. „Der ICE 547 fällt aus“, schallte es am Dienstag auf das Gleis 19 des Düsseldorfer Bahnhofs. Das Tröstliche dabei: „Die Zugbindung ist aufgehoben“, erfährt der digital zugeschaltete Kunde via App. Ich muss nicht sitzenbleiben.

Ein Lockmittel

Ein gewisses Stehvermögen darf ja vorausgesetzt werden, zumal die Fahrt nach Berlin sich im Ersatz-Gefährt noch als wahre Wohltat erweist. Schon die Akustik ist ein Genuss, wenn der Zugsprecher, so, als wüsste er um die Notwendigkeit einer Wiedergutmachung, ein Lockangebot anpreist. „Besuchen Sie doch unser Bordrestaurant für ein feines Mittagessen, mit einer schönen Flasche Wein oder soll es vielleicht doch lieber ein Pils sein?“ Da schäumt niemand mehr vor Wut.

Die einen weiteren hitzefreien Tag verheißenden Wolken über dieser Euro haben sich aber auch in der deutschen Bundeshauptstadt nicht verzogen, im Gegenteil, eine Blitz-SMS verhieß, dass Tornados im Anflug seien, die Fan-Zonen wurden kurzfristig gesperrt. Der Zug erreichte das Ziel Berlin sieben Minuten zu früh. Bei der Ankunft herrschte Windstille, während sich über Düsseldorf ein Unwetter ergoss. Hier ist nichts auszuschließen.