Es ist jener Moment der rund 75-minütigen Doku, der die anfangs präsente Frage, ob Kameras nicht immer zulasten von Authentizität gehen, endgültig verblassen lässt: 1. Mai 2024, ÖFB-Cup-Finale in Klagenfurt, Sturm Graz liegt gegen Rapid Wien nach 45 Minuten 0:1 zurück. In der steirischen Kabine liegt knisternde Spannung in der Luft, personifiziert von Otar Kiteishvili und Gregory Wüthrich. Nicht alle der englischen Wörter, die sie in diesen Minuten an ihre Kollegen richten, sind jugendfrei.

„Sie befetzen sich. Aber es ist eine positive Energie“, wird Cheftrainer Christian Ilzer die Szene später beschreiben. Selbst spricht der Oststeirer in dieser Pause nur wenige, einordnende Worte, das Aufrütteln der Führungsspieler reicht emotional aus. In der zweiten Halbzeit ist Sturm kaum wiederzuerkennen, gewinnt das Finale 2:1 und macht damit einen großen Schritt zum späteren Double, dem ersten seit 1999 und Ivan Osim.

Regisseur Christoph Jochum (links) beim Dreh in der Kabine
Regisseur Christoph Jochum (links) beim Dreh in der Kabine © Sky

Es sind Szenen wie die eingangs beschriebene, deren Dokumentation Fußballfans mitreißen. Primär, weil sie das für gewöhnlich Verborgene, das Geheimnisvolle, sichtbar machen. Der Weg zu diesen intimen Momenten, aufgenommen im Fußballheiligtum Mannschaftskabine, ist allerdings kein einfacher, wie Christoph Jochum, Regisseur der am Freitag vorgestellten Sky-Doku „Leuchtend Schwarz“, im Gespräch mit der Kleinen Zeitung schildert. „Als wir zum ersten Mal auf die Mannschaft trafen, war ich mir nicht so sicher, ob die Idee wirklich jeder gut findet“, erzählt Jochum vom Beginn der Dreharbeiten 2023.

Die Protagonisten kennen sich

Dabei sind die Voraussetzungen gut. Idee und Finanzierung der Doku kommen von Sky, Sturm signalisiert früh Interesse. Auch, weil es eine Vertrauensbasis gibt. Jochum kennt Sturms Sport-Geschäftsführer Andreas Schicker schon, als dieser noch selbst bei der Admira kickt, mit Christian Ilzer dreht der Filmemacher bereits in der Hartberg-Kabine. Die beiden sind es auch, die Christoph Jochum schließlich telefonisch in einer empfangsarmen mallorquinischen Bucht erreichen und das Projekt festzurren.

Sturm-Trainer Christian Ilzer bei der Kabinenansprache
Sturm-Trainer Christian Ilzer bei der Kabinenansprache © Sky

Im Herbst „pokert“ Jochums Team – meist ist dasselbe Trio aus Kameramann, Regisseur und Ton-Assistent im Einsatz – noch, besucht ausgewählte Spiele, etwa das 2:2 in Liebenau gegen Salzburg. Bevor das Filmteam im Frühjahr dann „de facto immer dabei“ ist, schmilzt Mitte Dezember erst einmal das Eis. Und zwar an der portugiesischen Atlantikküste, in Lissabon, wo Sturm gegen Sporting das entscheidende, letzte Gruppenspiel in der Europa League bestreitet. „Wir waren vier Tage zusammen. Haben gemeinsam gegessen, viel Zeit verbracht. Ab dem Zeitpunkt waren wir ein Teil des Ganzen. Ab da waren wir akzeptiert“, sagt Christoph Jochum, der in Portugal um kurz nach 23 Uhr eine Szene im Hotelzimmer von Jusuf Gazibegović und Alexandar Borković dreht.

Einen Tag darauf verliert Sturm 3:0. Es wird die einzige Niederlage sein, bei der das Sky-Team dabei ist – und diese fühlt sich aus Sturm-Sicht wie ein Sieg an, wird doch an diesem Abend klar, dass die Mannschaft auch im Frühjahr Europacup spielt.

Honigdachs in Hochform

Ab Anfang Februar schließlich spitzen sich Meisterschaft und Cup sukzessive zu. Für die Doku, in der sanfte Pianomusik immer wieder starker bildlicher Emotion gegenübersteht, freilich ein großes Glück. Jochum entscheidet sich „zugunsten der Kurzweiligkeit und der Emotion“, lässt taktische Detailanweisungen fast grosso modo wegfallen und rückt stattdessen Persönlichkeiten wie Co-Trainer Uwe Hölzl in den Fokus. Der Zusammenschnitt von Hölzls metaphorischen Motivationsansprachen in der Kabine – inhaltlich reichen sie vom schlauen Honigdachs, über den räuberischen Fangschreckenkrebs, bis hin zu furchtlosen Gladiatoren und Formel-Eins-Boxenstopps – zählt zum Unterhaltsamsten von „Leuchtend Schwarz“.

Kabinenjubel nach dem Cupsieg
Kabinenjubel nach dem Cupsieg © Sky

Den Stempel drückt der von Natalie Ramler geschnittenen Dokumentation, die via Sky X und Sky Q abrufbar ist, aber schlussendlich der Sturm-Coach auf. „Bei sicher zehn Spielen, je drei bis vier Stunden lange, war Chris Ilzer komplett verkabelt“, erinnert sich Jochum.

„So freigegeben, wie wir sie geschnitten haben“

Dementsprechend präsent ist der 47-Jährige im Film. Eindringlich sind die Szenen, als der Trainer während des entscheidenden Meisterschaftsspiels gegen Austria Klagenfurt, die Mannschaft und das eigene Trainerteam immer wieder auffordert, „keinen Stress“ aufzubauen.

„Ilzer ist in den Halbzeitpausen überragend. Wir hätten quasi von allen Spielen die gefilmten Pausen bringen können“, erzählt Regisseur Jochum. Selbst, wenn der Coach einmal schweigt und die Spieler zwischen den Halbzeiten übernehmen. „Um die Kiteishvili-Sequenz in der Pause des Cup-Finales hätte ich jedenfalls gekämpft“, sagt der Filmemacher schmunzelnd. Notwendig war das nicht. Christoph Jochum: „Tatsächlich wurde die Doku von Sturm so freigegeben, wie wir sie geschnitten haben.“