Es war mucksmäuschenstill in der Kabine, als Teamchef Aleš Pajovič die letzten Worte an seine Mannschaft richtete, bevor sie durch die Katakomben zum Aufwärmen schritt. Und die Worte hätten treffender nicht sein können. „Wir kämpfen von der ersten bis zur letzten Minute. Ich denke, nein ich weiß, dass wir den besten Teamgeist bei dieser EM haben. Gemma Jungs!“ Österreich betrat vor 20.000 Zusehern in Köln die größte Bühne des Handballs. Wo Champions-League-Sieger gekürt wurden, trotzte das heroische Kollektiv rund um Kapitän Mykola Bilyk Handballgroßmacht Deutschland einen Punkt ab. „Wir schreiben Geschichte für den österreichischen Handball und haben dabei Spaß“, sagte Bilyk. „Nach der Leistung hätten wir eigentlich gewinnen müssen. Wir nehmen den Punkt aber gerne mit.“

Das Spiel begann mit dem Ball für Deutschland und in der Halle war es unglaublich laut. Es war ein Hexenkessel und Österreich war von der ersten Sekunde an in der Deckung hellwach. Die ersten Paraden von Österreichs Constantin Möstl und seinem Gegenüber Andreas Wolff heizten die Euphorie an – die zwei lieferten sich 40 Meter voneinander entfernt ein Duell auf sehr hohem Niveau. Vor allem die Deutschen schienen daraufhin bei den Abschlüssen etwas zu zaudern. „Constantin hat ein fantastisches Spiel abgeliefert, er hat uns zur Verzweiflung gebracht“, sagte Wolff.  

Im Angriff vertraute Pajovič auf seine Stammaufstellung mit Bilyk und Lukas Hutecek an den Schalthebeln. Sie lenkten schlau und dosierten (wenn nötig) das Tempo, um in den stehenden Angriff zu kommen. Deutschland-Trainer Alfred Gíslason wurde nervös, der Isländer (dreifacher Champions-League-Sieger) nahm in der 16. Minute das Timeout. Das brachte nichts, im Gegenteil: Österreich baute selbstbewusst die Führung auf bis zu vier Tore (23.) aus. Deutschland bäumte sich mit den lauten Fans im Rücken auf und verkürzte bis zur Pause auf 11:12. Möstl wurde da in der Kabine behandelt, nachdem er gegen die Stange gekracht war. 

Der 23-jährige Schlussmann von Hard spielte weiter, als wäre nichts gewesen und seine Vorderleute arbeiteten in jedem einzelnen Angriff hart, kämpften um jede noch so kleine Lücke im Mittelblock. Österreich zeigte Herz und Charakter und spielte mit dem Selbstverständnis und der Abgebrühtheit eines Medaillenkandidaten. So agierte das Team auch in der Deckung, verschob, teilte die Gegner gut zu. Die haderten, mussten schlechte Würfe riskieren und scheiterten immer wieder. 

Pajovič brachte immer wieder einen zusätzlichen Feldspieler auf das Parkett, eine Taktik, die bei der EM mehrfach gefruchtet hatte. Vier Würfe an die Stange brachten den Deutschen wieder Aufwind. Der Vorsprung war fragil, weil Österreich ab der 50. Minute nicht mehr traf. Christoph Steinert glich 51 Sekunden vor dem Ende für den Gastgeber zum 22:22 aus. Mit der Schlusssirene warf Sebastian Heymann den letzten Ball des Spiels über das Tor von Möstl und der sagte: „Das war ein verlorener Punkt, aber es fühlt sich trotzdem gut an. Wir sind voll im Rennen um das Halbfinale.“