Nach seinem Triumph im NFL-“Heimspiel“ in Frankfurt wurde Bernhard Raimann emotional. Mit Freudentränen und einem breiten Lächeln im Gesicht führte der 26-Jährige von den Indianapolis Colts nach dem 10:6-Sieg gegen die New England Patriots am Sonntag zahlreiche Interviews. Auf dem Frankfurter Rasen jubelte der sonst so ruhige Offensive Tackle aus Wien ausgelassen vor mehr als 50.000 Zuschauern, darunter auch 18 aus Österreich angereiste Familienmitglieder und Freunde.
Ebenfalls mit dabei: David Alaba und Marcel Sabitzer. Die Stars von Real Madrid beziehungsweise Borussia Dortmund ließen sich das Spektakel nicht entgehen und machten auch ein Foto mit ihrem Landsmann:
„Es ist ein Wahnsinnsgefühl und wahrscheinlich eines meiner besten Football-Erlebnisse“, sagte Raimann nach dem Spiel überglücklich. Der in Steinbrunn im Burgenland aufgewachsene Left Tackle durfte sich über den fünften Sieg seiner Colts im zehnten Saisonspiel freuen - für Raimann ein ganz besonderer. Denn für den 1,98-m-Hünen schloss sich in Deutschland ein Kreis, vor zehn Jahren hatte er in London sein erstes NFL-Spiel im Rahmen der „International Series“ live im Stadion gesehen. „Jetzt einen Sieg in der NFL in einem deutschen Stadion zu feiern, das ist einfach unbeschreiblich. Ich kann es gar nicht in Worte fassen.“
Der frühere Wide Receiver der Vienna Vikings, der danach zum Tight End und erst vor wenigen Jahren zum Offensive Tackle umgeschult worden war, blickte sentimental auf seine Laufbahn zurück. „American Football hat mich quer durch die ganze Welt gebracht. Mit Coach Sommer waren wir in Kuwait und China. Dann war ich in der High School, auf dem College und jetzt in der NFL.“ Der Quarterback-Beschützer könne es manchmal selbst nicht fassen. „Man versucht, jede Woche sein Bestes zu geben und auf einmal steht man hier“, sagte der erste rot-weiß-rote NFL-Spieler, der kein Kicker ist.
Auch Oma Erika, Mama Claudia und Papa Michael feuerten ihren Familienhelden ausgestattet mit einer riesigen Österreich-Flagge mit der Nummer 79 frenetisch an. „Ich bin gesegnet, hier zu sein. Das bedeutet die Welt für mich“, betonte Raimann. Auch wenn die gemeinsame Zeit mit der Familie aufgrund des engen Terminplans begrenzt war. „Ich freue mich auf die paar Minuten, die man gemeinsam hat. Und in der Offseason sieht man sich ja auch wieder“, sagte er und lachte.
Nationalteam-Headcoach Max Sommer, einst Jugendtrainer von Raimann, nahm seinen ehemaligen Schützling besonders genau unter die Lupe. „Er hat eine ganz saubere Partie gespielt ohne großen Fehler“, urteilte Sommer. „Er fällt nicht auf und das ist als Left Tackle das größte Kompliment, das man bekommen kann.“ Den Colts traut der heimische Europameister-Coach und künftige ELF-Offensive-Coordinator der Vienna Vikings noch viel zu. „Sie sind bei 5-5, haben eine sehr gute Teamchemie und bekommen gerade ein wenig Momentum. Es ist alles da für einen guten Run in die Play-offs.“
Dafür müssten die Colts von Headcoach Shane Steichen, die angeführt von Quarterback Gardner Minshew in einem punktearmen Spiel gegen die Patriots nur phasenweise überzeugten, aber wohl eine Siegesserie nach der anstehenden spielfreien Woche starten. Dann wird auch das Medieninteresse an Raimann wieder etwas abklingen. „Ich bin Offensive Lineman, normalerweise bekommst du nicht so viel Aufmerksamkeit. Das bin ich nicht gewohnt“, sagte er in den Katakomben des Frankfurter Waldstadions und ergänzte im Scherz an die anwesenden Journalisten. „Das ist nicht meine Lieblingsbeschäftigung, aber danke fürs Kommen.“