Seit die Europäische Kommission im Februar 2022 ihre „Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit“ – kurz: Lieferkettenrichtlinie – präsentiert hatte, gehen die Wogen hoch. Die EU will damit Unternehmen zur Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards verpflichten – und zwar entlang der gesamten Wertschöpfungskette ihrer Produkte. Es geht demnach nicht nur um klassische Lieferanten, sondern um sämtliche geschäftliche Aktivitäten, insbesondere um solche, die mit Handel, Vertrieb und Transport zu tun haben.
„Wie die Unternehmen einen solchen Dialog mit potenziell Hunderten und Tausenden von Vertragspartnern führen sollen, ist völlig offen“, kritisiert Andreas Gerstenmayer, Vorstandschef des in der Obersteiermark beheimateten, aber weltweit tätigen Technologieunternehmens AT&S. Ein Nichtbefolgen hätte für die Unternehmen jedenfalls massive Strafzahlungen und ein Verbot, sich künftig an öffentlichen Ausschreibungen zu beteiligen, zur Folge. „Muss ein Unternehmen tatsächlich den Lieferanten des Lieferanten des Lieferanten kennen?“, hält Gerstenmayer die angedachte Richtlinie für „realitätsfern“.
„Wenn wir weiterhin wertschöpfende Arbeit bei uns haben wollen, müssen unsere Lieferketten funktionieren“, drängt Manfred Kainz, Obmann des Außenhandels in der steirischen Wirtschaftskammer, auf eine praxistauglichere Lösung. Denn aktuell sei zu erwarten, dass größere Unternehmen die Verpflichtungen zur Dokumentation der Nachhaltigkeit an ihre Lieferanten weitergeben werden. Die Einhaltung der Vorschriften des EU-Lieferkettengesetzes würden dann auch Klein- und Mittelbetriebe treffen. Es gehe um die Absicherung von Rohstoffen, Vorarbeiten, Assembling und Veredelung, die hier geleistet werden und funktionieren müssen, warnt Kainz vor einem Bumerangeffekt für den Standort: „Wenn das nicht möglich ist, suchen sich die Investoren Alternativen, die es überall auf der Welt gibt.“