Seit Tagen ist der Himmel wolkenlos, im Hof sind vergnügte Kinderstimmen zu hören und im Freibad werden die Schattenplätze knapp. Viele Menschen genießen den Sommer in vollen Zügen. Doch nicht alle: Denn wer nur (noch) ein eingeschränktes soziales Leben hat, dem werden die Tage lang, weiß Daniela Bauer, Leiterin der Telefonseelsorge Steiermark: „Routinen wie beispielsweise der wöchentliche Gang zum Hausarzt oder Therapeuten, aber auch zu Nachbarn und Freunden fallen in dieser Zeit oft weg.“ Betroffenen würden immer wieder auch die finanziellen Mitteln für größere Freizeitaktivitäten fehlen, zugleich gebe es eine gewisse Scham, das Gefühl, nicht mithalten zu können. Und: Die hohen Temperaturen lassen viele in der Nacht nicht schlafen und dunkle Gedanken aufsteigen.
Hilfe gesucht
Hört die Belastung nicht auf, wenden sich viele hilfesuchend an die Telefonseelsorge: „Wir haben im Juli um fast ein Fünftel mehr Gespräche gehabt als im Juni“, so die Leiterin. Zur Einordnung: 17.000 Gespräche, 2.600 Mails und 7.770 Chats waren es in Summe im Vorjahr. 96 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit entsprechender Ausbildung griffen dafür regelmäßig zum Hörer oder zur Tastatur.
Ältere reden, Jüngere schreiben
Allein sein und einsam sein seien kommunizierende Gefäße und Einsamkeit nicht zu unterschätzen, erläutert Bauer. „Sie kann wie ein Schmerz sein, der einen verrückt macht.“ Davon betroffen sind alle Altersgruppen: Ältere Menschen leiden vor allem darunter, mit dem Ende der beruflichen Karriere, der abnehmenden Leistungsfähigkeit und den äußeren Anzeichen des Älterwerdens nicht mehr „gesehen“, also wahrgenommen zu werden. Jüngeren fehlt es hingegen oft an tragfähigen Beziehungen, in denen auch Probleme besprochen werden können. Viele von ihnen suchen mittlerweile via Chat Hilfe bei der Telefonseelsorge. Die Anzahl hat sich in den vergangenen sechs Jahren verelffacht. „Ihnen tut es gut, sich etwas von der Seele schreiben zu können.“
Thematisch geht es in der Online-Beratung vor allem um Beziehung, psychische Belastungen, Suizid und Einsamkeit. Am Telefon würde hingegen das Thema Einsamkeit an erster Stelle stehen, gefolgt von psychischen Belastungen, Burnout/Depression und Beziehungsfragen. Rund drei Viertel der Hilfesuchenden sind Frauen, ein Viertel Männer.
Natur und selbst aktiv werden
Die Einsamkeit in der (Groß-)Stadt ist im Durchschnitt größer, zugleich aber auch die Hilfsangebote. Am Land ist das soziale Netz an und für sich engmaschiger, jedoch auch die soziale Kontrolle und die gesellschaftlichen Vorgaben. Betroffene ermuntert die Leiterin der Telefonseelsorge Steiermark regelmäßig in die Natur zu gehen, nachrichtenfreie Zeiten einzuführen und Selbstwirksamkeit auszuprobieren: selbst aktiv zu werden, Gespräche zu beginnen und den Blick auf jetzt schon Gelingendes richten.