Die "Tat eines gekränkten Genies", nennt Reinhard Haller die Briefbombenserie, mit der Franz Fuchs eines der schlimmsten Verbrechen der zweiten Republik beging. Der Kriminalpsychiater begutachtete vor Gericht zahlreiche große Fälle der jüngeren Kriminalgeschichte – darunter eben auch Fuchs.
In der neuen Folge unseres Kriminalpodcasts delikt, spricht Haller (mit delikt-Moderator David Knes und Kulturredakteur Bernd Melichar) über die Phänomene, die Menschen zu solchen Tätern werden lassen. Als Psychiater versuchte Haller die "Seele des Verbrechers", die "Persönlichkeit des Straftäters" zu studieren und verstehen. Ein Fehler, wie er inzwischen weiß: "Wichtiger ist, zu fragen: unter welchen Bedingungen kann das Böse, das in jedem Menschen lauert, durchbrechen?" Neben Affekten und heftigen Rauschzuständen macht Haller Kränkungen als die Ursache zahlreicher Verbrechen aus, was er auch am Beispiel von Jack Unterweger (den er 1994 begutachtete) erörtert. Ihm attestiert er narzisstische Gekränktheit und Wut, die Unterweger schließlich an Prostituierten ausgelassen hat.
"Zeitalter des Narzissmus", in der Politik und im Auto
Was haben Jack Unterweger und Donald Trump gemeinsam? Neben einem mehr als problematischem Verhältnis zu Frauen wohl in erster Linie einen stark ausgeprägten Narzissmus. Haller beobachtet weltweit eine zunehmende Bewunderung für diesem eigentlich negativ konnotierten Charakterzug. Er wirft die Frage auf, warum sich Wähler immer öfters von schnell beleidigten und rachsüchtigen Männern vertreten lassen wollen und nennt dabei einige Beispiele, etwa ein türkisches Staatsoberhaupt, das Satiriker mit Klagen eindeckt.
Reinhard Haller spricht von einem "Zeitalter des Narzissmus". Immer öfters ließen sich Menschen von Lappalien zu extremen Straftaten, Attentaten und Terror hinreißen. Ihr Ziel seien nicht mehr "Bankdirektoren, Politiker oder CEOs, sondern die scheinbar heile, schöne, aber kalte ausschließende Welt."
Ein Phänomen, das viele bei sich selbst beobachten können, ist, dass vor allem Männer am Steuer ihres Autos zu Narzissten werden. Haller erklärt im Podcast, warum das so ist.
Frauenmorde: Täter regelrecht stolz auf Tat
Auf die jüngsten Frauenmorde angesprochen antwortet Haller mit der Beobachtung, dass es einen Wandel in den letzten drei bis fünf Jahren gegen habe: Waren diese Delikte davor durch Sexualdelinquenz, Überfälle auf alleinstehende alte Frauen und heftige Affektdelikte gekennzeichnet, sind heutige Frauenmorde anders: Gut geplant, der Täter lauert dem Opfer auf vor dem Kindergarten oder Supermarkt auf, richtet es öffentlich hin und ist danach nicht fassungslos (wie es Affekttäter wären). Er sage mit einem gewissen Stolz, sie habe das verdient.
"Wenn man mit man mit diesen Tätern spricht, ist es nicht so dass sie ihre Tat bedauern, oder sonderlich Mitleid für ihr Opfer haben – sondern mit sich selbst. Die berichten über eine Reihe von Vorkommnissen, die nichts anderes sind als Kränkungen. Man hat das Gefühl mit einem Opfer und nicht mit einem Täter zu sprechen.", so Haller. Doch was kann man gegen diese Entwicklung unternehmen? Haller meint, Täterarbeit sei zwar gut und wichtig, doch wir "müssen ein anderes gesellschaftliches Männerbild erzeugen."
Wie wir täglich Rache üben
Das Thema Rache, das Reinhard Haller auch in seinem aktuellen Buch beleuchtet wird auch im Podcast besprochen. Der Psychiater erklärt, warum diese Emotion nicht nur Stoff von Shakespeare-Dramen und Hollywood-Blockbustern ist, sondern jeden von uns täglich begleitet und liefert anschauliche Beispiele – vom Zidane-Kopfstoß 2006 bis zum Anschober-Rücktritt in diesem Jahr.