Günter Kunert, einer der großen zeitgenössischen deutschen Dichter, ist tot. Er starb am Samstagabend in seinem Haus im schleswig-holsteinischen Kaisborstel im Alter von 90 Jahren, wie die Witwe und ein enger Freund der Familie, der Bildhauer Manfred Sihle-Wissel, am Sonntag bestätigten. Er sei an den Folgen einer Lungenentzündung Zuhause gestorben, sagte die Witwe Erika Hinckel.
Der gebürtige Berliner schuf ein umfassendes Werk mit Lyrik als Schwerpunkt. Aber auch Prosa - darunter zwei Romane, eine Autobiografie, Reisebeschreibungen und Essays - hat der Autor geschrieben, ebenso Filmdrehbücher und Hörspiele. Sein langjähriger Verleger Michael Krüger bezeichnete Kunert einmal als "einen der bedeutendsten Lyriker der Nachkriegszeit" und Dichter in der Tradition Heinrich Heines.
Seine deutsche Geschichte
In Kunerts Leben und Werk spiegelt sich die Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert: Geboren 1929 in Berlin noch zur Zeit der Weimarer Republik, wuchs er in der Nazizeit auf - verunglimpft als sogenannter Halbjude, seine Mutter war Jüdin. In der DDR wurde Kunert, der nach dem Zweiten Weltkrieg auf den Sozialismus setzte und vom SED-Staat zunehmend enttäuscht wurde, lange bespitzelt. 1976 gehörte Kunert zu den ersten Unterzeichnern eines Protestes gegen die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann aus der DDR. 1979 ließ die DDR den unbequemen Dichter Kunert in den Westen. In Schleswig-Holstein auf dem Lande fand er ein neues Zuhause - in einer ehemaligen Dorfschule in Kaisborstel. Dort lebte er mehr als 40 Jahre.
Rund 70 Jahre lang hat der ungemein produktive Autor publiziert. 1950 erschien Kunerts erster Gedichtband "Wegschilder und Mauerinschriften" und 2019 der kritische DDR-Roman "Die zweite Frau" - das Manuskript war bereits 45 Jahre zuvor entstanden, Kunert hatte es aus Sorge, ins Gefängnis zu müssen unter Verschluss gehalten, dann vergessen und erst im hohen Alter zufällig im Keller wiederentdeckt.
Mit seiner ersten Frau Marianne war Kunert 50 Jahre verheiratet. Nach ihrem Tod, Kunert war schon über 80, heiratete er ein zweites Mal und widmete Erika seinen DDR-Roman "Die zweite Frau". Bereits zu Lebzeiten hat Kunert ein Grab auf dem Jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee gekauft. Dort wurde bereits seine erste Frau beerdigt. Kunert wollte dort auch beigesetzt werden.