Klara Maria Schenk von Greenpeace in Österreich sagt:

Der brutale Angriffskrieg Russlands in der Ukraine führt uns schmerzlich vor Augen, wie stark unser System von Öl- und Gas abhängig ist. Auch die Menschen in Österreich spüren die Folgen der notwendigen Sanktionen gegen Russland. Die Energiepreise steigen rasant. Heizen und Autofahren werden immer teurer und Öl- und Gasmultis fahren gigantische Kriegsgewinne ein.

Diese Krise zeigt: Wir müssen die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern so schnell wie möglich beenden. Tempo 100 auf unseren Autobahnen ist ein gutes Beispiel für eine Reduktionsmaßnahme, die rasch und sozial gerecht umsetzbar ist. Man könnte durch diesen kleinen Schritt für die Dauer der Krise rund zehn Prozent Verbrauch an Treibstoffen einsparen und auch zehn Prozent CO₂-Emissionen vermeiden. Gleichzeitig kostet Tempo 100 niemanden etwas, auch der Zeitverlust ist gering. Auf 20 km gerechnet beträgt die zeitliche Differenz zwischen Tempo 130 und Tempo 100 weniger als drei Minuten. Temporeduktionen sind also nicht nur gut für die Umwelt. Sie bringen auch mehr Verkehrssicherheit und entlasten unsere Geldbörse, helfen vor allem akut in der Krise, um unseren Gesamtverbrauch an Öl zu reduzieren und unsere Abhängigkeit von bluttriefenden Öl-Produzenten wie Russland zu senken.

Klar muss aber sein, Tempo 100 ist keine magische Lösung für die eskalierenden Energiepreise. Es braucht dringend auch treffsichere Transferzahlungen an ärmere Haushalte und eine Unterstützung der Menschen, die aufgrund mangelnder Alternativen aufs Auto angewiesen sind, oder für die ein rascher Umstieg auf nachhaltige Heizsysteme nicht möglich oder leistbar ist.

Woher das Geld dafür kommen soll? Die Gewinner dieser Krise sind zynischerweise die großen Öl-Konzerne wie OMV, Shell und BP. Wie das Momentum Institut aufzeigte, verdienen sie sich mit Gewinnzuschlägen gerade eine goldene Nase: Derzeit fließen täglich 2,7 Millionen Euro zusätzlich in ihre Kassen. Eine Besteuerung solcher schmutziger Kriegsgewinne könnte genutzt werden, um die Ärmsten zu entlasten.

Klara Maria Schenk ist Klima- und Verkehrs- sprecherin bei Greenpeace in Österreich. In dieser Funktion sprach sie sich zuletzt für den sofortigen Stopp der umstrittenen Lobau-Autobahn in  Wien aus.
Klara Maria Schenk ist Klima- und Verkehrs- sprecherin bei Greenpeace in Österreich. In dieser Funktion sprach sie sich zuletzt für den sofortigen Stopp der umstrittenen Lobau-Autobahn in Wien aus. © MITJA KOBAL/GREENPEACE

Bernhard Wiesinger vom ÖAMTC meint:

Der enorme Anstieg der Energiekosten ist Anlass für emotionale Diskussionen. Dabei geht es nicht nur um die Spritpreise – dort ist das Problem aber für viele am unmittelbarsten spürbar. Es braucht Sofortmaßnahmen, um die Konsumentinnen und Konsumenten zu entlasten.

Die Senkung der Mineralölsteuer, eine Verschiebung der CO₂-Steuer und die Erhöhung der Pendlerpauschale und des Kilometergelds könnten rasch Abhilfe schaffen. Zudem ist die Mineralölindustrie gefordert, den Wettbewerbswächtern zu erklären, warum die Spritpreise wieder einmal weitaus stärker steigen als die Ölpreise und viel langsamer zurückgehen.
Der Einspareffekt von niedrigeren Tempolimits wird hingegen deutlich überschätzt: Fast die Hälfte des Autobahnverkehrs spielt sich ohnehin in Tempo 100 oder 80er-Zonen ab – und auch in den 130er-Bereichen liegt die gefahrene Geschwindigkeit im Schnitt deutlich unter der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, bei rund 105 km/h auf jenen 63 Prozent des Netzes, in denen zwei Spuren pro Fahrtrichtung existieren. Tempo 100 würde daher insgesamt maximal ein bis drei Prozent Spriteinsparung bringen.

Die derzeitigen Tempolimits finden außerdem in der Bevölkerung breite Unterstützung: Wie aus einer Mitglieder-Umfrage aus dem Februar 2021 hervorgeht, halten 69 Prozent das derzeitige Limit von 130 km/h auf Autobahnen für angemessen, 25 Prozent wollen schneller fahren, nur sechs Prozent langsamer. Noch deutlicher ist die Situation auf Freilandstraßen: 85 Prozent halten dort 100 km/h für angemessen, für vier Prozent ist das zu langsam, elf Prozent sprechen sich für ein niedrigeres Limit aus.

Unstrittig ist: Mit Blick auf die Geldbörse ist ein vorausschauender, spritsparender und damit umweltschonender Fahrstil immer sinnvoll. Unter dem Motto "Gleiten statt hetzen" setzt sich der ÖAMTC seit Jahrzehnten dafür ein. Und es ist auch sinnvoll, das Auto für kurze Wege stehenzulassen. Was wir nicht brauchen, ist eine von oben verordnete Temporeduktion, die kaum etwas bringt. Jetzt brauchen wir Entlastungen. Mobilität muss leistbar bleiben!

Bernhard Wiesinger ist Leiter der ÖAMTC Interessenvertretung. In dieser Funktion steht der studierte Publizist und Jurist einem Team von Experten für Recht, Technik, Wirtschaft und Sicherheit vor.
Bernhard Wiesinger ist Leiter der ÖAMTC Interessenvertretung. In dieser Funktion steht der studierte Publizist und Jurist einem Team von Experten für Recht, Technik, Wirtschaft und Sicherheit vor. © ÖAMTC/POSTL