Pro

Ja, jede Schule sollte heuer eine Sommerschule verpflichtend anbieten! Es ist schon viel zu viel Unterricht entfallen. Gerade in dieser Ausnahmesituation müssen wir alle auch im Sommer neue Ideen zulassen.Evelyn Kometter, Vorsitzende des Dachverbandes der Elternverbände der Pflichtschulen Österreichs.

Der Unterrichtsentfall ist in diesem und im vergangenen Schuljahr enorm, teilweise wurden die Möglichkeiten des Distanzunterrichts nicht gut genutzt und im Schichtbetrieb konnte meist nur ein Teil der Lernziele erreicht werden. Einige sind damit sehr gut und gut zurechtgekommen, aber Fakt ist, für viele haben sich die Defizite eindeutig verstärkt. Damit kann man sich nicht so einfach abfinden.

Doch wie soll Sommerschule die vorhandenen Mängel in Lesen oder Mathematik in zwei Wochen beheben? Ganz einfach – die Sommerschule ist nicht nur „noch mehr Schule“, sie sollte sich auf die Stärken und Interessen der Kinder konzentrieren. Das funktioniert, weil die Sommerschule anders ist, als die „normale“ Schulzeit sein muss, nämlich:
- Freiwillig: Alle Kinder können sich freiwillig dafür anmelden.
- Ohne Noten: Die LehrerInnen zeigen den Kindern, wie praktisch und nützlich das Wissen sein kann.
- Innovativ: LehrerInnen können abseits von Schularbeitsdruck unterrichten und Neues zulassen.
- Individuell: SchülerInnen haben die Chance, nach ihren Interessen zu lernen.
- Für alle: Auch Begabtenförderung soll in der Sommerschule ihren Platz haben, sie kommt sowieso viel zu oft zu kurz.

Wie soll das alles in nur zwei Wochen gehen? Natürlich sollte das Angebot mehr als zwei Wochen umfassen, fünf Wochen sollten es schon sein mit vielfältigen Angeboten und der Möglichkeit, sich auch für einzelne Wochen oder Kurse anzumelden. Es geht vor allem um Motivation und um Gemeinschaften.

Wer das machen soll? Das funktioniert, wenn das Ministerium mit den Gemeinden zusammenarbeitet und schon jetzt vorausplant: Ressourcen, die durch das Distance Learning frei wurden, und Stunden, die in den kommenden Monaten entfallen, können für die Sommerschule eingesetzt werden. Wenn ausgebildete Pädagogen in der Sommerschule unterrichten, wäre das ideal für unsere Kinder.

Aber auch StudentInnen müssen neben den Gutschriften fürs Studium eine Entlohnung analog zu einem Ferialjob bekommen. 20.000 Lehrende für etwa 200.000 SchülerInnen kosten etwa 20 Millionen Euro – wenig im Vergleich zu vielen anderen nötigen Krisenhilfen.
Liebe Lehrende: Trauen Sie sich, einen interessanten Kurs anzubieten!
Liebe Eltern: Trauen Sie sich, Ihr Kind anzumelden!
Liebe Elternvereine: Schlagen Sie spannende Themen vor!
Liebe SchulleiterInnen: Trauen Sie sich, eine flexible und interessante Sommerschule zu machen!

Kontra

Natürlich darf nicht auf die Gruppe der sogenannten „Verlierer“ vergessen werden. Aber der Großteil der Schülerinnen und Schüler hat ohnehin viel dazugelernt und vermisst nichts aus den vorgegebenen Lehrplaninhalten. Franz Reithuber, Sprecher aller
berufsbildenden mittleren und höheren Schulen Österreichs.

Offensichtlich geht eine Mehrheit in unserer Gesellschaft davon aus, dass die uns anvertrauten jungen Menschen in der Sekundarstufe II, also die 14- bis 19-Jährigen, in der Zeit der Pandemie weniger gelernt und deshalb im Sommer Versäumtes nachzuholen hätten. Durch viel Engagement der Pädagoginnen und Pädagogen trifft das aber nur auf eine kleine Gruppe zu, andere wiederum haben viel mehr als sonst, wie etwa Selbstständigkeit und Selbstorganisation, dazugelernt. Dennoch darf nicht auf die Gruppe der sogenannten „Verlierer“ vergessen werden, dies ist jedoch nicht auf dem Rücken der bereits überlasteten Pädagoginnen und Pädagogen mit einer Verpflichtung auszutragen!

Neben den zusätzlichen Herausforderungen hat die Schulverwaltung bis jetzt nicht den Zusatzaufwand für die schulinterne Qualitätseinschätzung zurückgenommen, welche in einer zusätzlichen Konferenz im Juni zum Abschluss gebracht werden soll – in einer Krisenzeit wie jetzt in sich kontraproduktiv zum Thema Qualitätsmanagement. Sollte also von den ebenfalls überlasteten Schulleitungen auch noch verpflichtend die Organisation von Summerschools verlangt werden, könnte das „Fass zum Überlaufen“ gebracht werden.

Gar nicht wenige Direktorinnen und Direktoren sehen sich den zusätzlichen Anwürfen von Test- und Maskenverweigerern ausgesetzt und sind mitunter mit Klagsdrohungen konfrontiert. Dankesbriefe aus den Bildungsdirektionen und dem Ministerium sind schon wichtig, helfen würden aber Entlastungsmaßnahmen, wie etwa die Verschiebung der schulinternen Qualitätseinschätzung um ein Jahr und die Organisation von Summerschools auf andere Art und Weise.

Dazu könnten etwa an den Standorten Lehramtsstudentinnen und -studenten eingesetzt werden oder leistungsstarke Schülerinnen und Schüler, welche den schwächeren Schülerinnen und Schülern auf Augenhöhe Versäumtes näherbringen könnten. Durch Bezahlung eines kleinen Betrages könnten diese auch eine eventuell entfallene Ferialpraxis wettmachen.

Bei solch einem Zugang würden sicher auch einige Pädagoginnen und Pädagogen aus dem Lehrkörper punktuell zur Verfügung stehen. In Zeiten, wo in einigen Bundesländern die Kolleginnen und Kollegen der Sekundarstufe II aus dem Impfplan vorerst ohne Terminperspektive herausgenommen wurden, wird der betroffenen Klientel, natürlich nicht absichtlich, mangelnde Wertschätzung kommuniziert – also kein guter Zeitpunkt, um über weitere Zusatzbelastungen zu diskutieren!