Am Ende wird alles gut, und wenn es nicht gut wird, ist es noch nicht das Ende." Oscar Wilde bevorzugte die guten Enden. Für Buchautor George R. R. Martin gilt anscheinend das Gegenteil. Er lässt seine Figuren leben, lieben, leiden und sterben. Und das am laufenden Band. Das soll die erfolgreichste Serie der letzten Jahre sein? "Game of Thrones" wurde 59 Mal für einen Emmy nominiert, 14 Mal ausgezeichnet und gilt als eine der am meisten (illegal) downgeloadeten TV-Serien aller Zeiten. Doch was macht diese Serie so unwiderstehlich, die im total digitalisierten 21. Jahrhundert auf eine Mixtur aus "Herr der Ringe" und "Dallas" setzt, wo Drachen, Schwertkampf, Königshäuser, bombastische Schlachten, Ritter und Dirnen den Ton angeben?
Der TV-Zauberlehrling HBO, der schon Quotenschlager wie "Sex and the City" erfolgreich auf den Bildschirm brachte, hat mit der Adaption von George R. R. Martins fünfbändiger Buchvorlage "Das Lied von Eis und Feuer", die vom Kampf um den Eisernen Thron am fiktiven Kontinent Westeros handelt, offenbar den Sehnerv getroffen. Schon bald nach der Erstausstrahlung am 17. April 2011 ist die Fangemeinde weltweit stetig gewachsen. Ein Ende ist nicht in Sicht. Auch eine sechste Staffel ist bereits vom Sender bestätigt und das, obwohl George R. R. Martin schon gar nicht mehr mit dem Schreiben hinterherkommt. Was ihm Fans der Bücher ohnehin übel nehmen, wie er sich gerne in Interviews über wütende Fan-Mails beklagt. Und dabei kommt es noch dicker. Nun wird die Serie schon bald die bisher erschienenen Bücher von der inhaltlichen Entwicklung überholen.
Heldenepos und Kammerspiel
Auf dem fiktiven Kontinent Westeros rittern eine Handvoll Adelsfamilien um den Eisernen Thron und die Macht im Land. Von Norden nähert sich eine unbekannte Macht, die nur abgeschirmt durch eine mächtige Mauer aus Eis aufgehalten wird. Während im Süden in der Hauptstadt Königsmund der Kampf um die Vorherrschaft tobt - nur kurz unterbrochen durch das eine oder andere Schäferstündchen. Was aussieht wie die Bühne für ein klassisches Heldenepos mutiert zum zwischenmenschlichen Schlachtfeld, auf dem die Beteiligten brutale äußerliche Wunden davontragen, aber die seelischen Verletzungen mit einer noch größeren Gnadenlosigkeit seziert werden.
Der ideale Nährboden, um sich mit seinem Lieblingscharakter zu identifizieren. Schwerer Fehler, denn das könnte ihn den Kopf kosten. Die Verhinderung jedes noch denkbaren Happy Ends ist Martins Spezialdisziplin. Mit nahezu unverschämter Leichtigkeit lässt er jeden noch so beliebten oder verhassten Darsteller, vor allem aber zentrale Figuren über die Klinge springen. Auf diese Weise stößt er den Zuseher, der ohnehin durch die Mitleide-Hölle geht, permanent vor den Kopf. Für Neueinsteiger wie Profis gilt: Erwarten Sie das Unerwartete. Man freut sich und misstraut zugleich jedem kleinen Lichtblick. So hantelt man sich von Folge zu Folge, denn schon hinter dem nächsten Hügel kann alles vorbei sein.
Serienkiller mit Humor
George R. R. Martin, ein düsteres, morbides Wesen mit Hang zur Schlachtplatte? Keineswegs. Der 66-Jährige lebt im Sonnenstaat New Mexico und liebt Margaritas, mexikanisches Essen und hat sich unlängst ein eigenes Kino gekauft. Viel Zeit, um den Filmvorführer zu geben, hat Martin jedoch nicht, da er auch bei den Drehbüchern zu der Serie ein Wörtchen mitzureden hat. Wobei Martin bisweilen schon selbst den Überblick über Handlungsstränge, Verwandtschaftsverhältnisse und Totentafel verloren hat. Seit Jahren steht ihm ein eingefleischter Fan zur Seite, der bei den Büchern den Überblick behält. Doch auch in der Serie wird nicht gekleckert: Immerhin wirken pro Staffel mehr als 250 Schauspieler mit. Gedreht wird unter anderem in Kroatien, Marokko, Spanien und Irland, auf Plätzen, die sich bereits zu Pilgerstätten der Fans gemausert haben. Eine Episode kostet rund sechs Millionen Dollar - summa summarum eine der teuersten Serien aller Zeiten. Für HBO gut investiertes Geld, denn wer will schon bei den Fans in Ungnade fallen? Da hält man es lieber mit dem Leitspruch des führenden Adelsgeschlechts von Westeros: "Ein Lennister begleicht stets seine Schuld."